585.722 aktive Mitglieder*
4.396 Besucher online*
Kostenfrei registrieren
Einloggen Registrieren

Klettverschluss aus Stahl

Beitrag 12.10.2009, 12:41 Uhr
mbe_utg
mbe_utg
Level 1 = Community-Lehrling
*
Gruppe: Mitglied
Mitglied seit: 25.08.2009
Beiträge: 6

Hallo liebe Forengemeinde,

da dies mein erster Forenbeitrag ist, möchte ich noch eine kurze Vorstellung vorweg schicken.
Mein Name ist Martin Bednarz, ich bin wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Umformtechnik und Gießereiwesen der TU München. Ich werde ab jetzt die Moderation des Forums "Stanzen, Biegen, Kanten, Prägen" übernehmen. Mit Fragen könnt ihr euch natürlich jederzeit an mich wenden. Fachlich beschäftige ich mich im weitesten Sinne mit Schneid- und Biegeprozessen, sowie den dazugehörigen Maschinen. Fragen, die außerhalb meines Schaffensbereichs liegen leite ich selbstverständlich gerne an einen zuständigen Kollegen weiter.

Und als kleine Information gleich mal ein Artikel über ein Forschungsthema von einem meiner Kollegen.

Gruß,

Martin


Metaklett, der stählerne Klettverschluss

Ein Klettverschluss aus Metall hält bis zu 35 t pro Quadratmeter


Klettverschlüsse haben sich auf breiter Front in Industrie und Haushalt durchgesetzt. Doch sie haben einen Haken: Für viele Anwendungen sind sie zu schwach. Am Lehrstuhl für Umformtechnik und Gießereiwesen der Technischen Universität München wurden nun Klettverschlüsse aus Federstahl entwickelt. Sie sind gegen Chemikalien beständig und halten auch bei 800°C noch einem Zug von bis zu 35 Tonnen pro Quadratmeter stand.


Als der Schweizer Erfinder George de Mestral nach einem Jagdausflug vor über 60 Jahren mal wieder mühsam die vielen Kletten aus dem Fell seines Hundes zupfen musste, kam ihm eine geniale Idee: Nach dem Vorbild der Natur konstruierte er einen Verschluss aus vielen kleinen Schlingen und Haken, den Klettverschluss. „Der unschlagbare Vorteil einer Klettverbindung ist, dass sie einfach zu schließen und wieder zu öffnen ist,“ erläutert Josef Mair, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Umformtechnik und Gießereiwesen (utg) der TU München. Das Haken-Ösen-Prinzip kommt deshalb vielseitig zum Einsatz: Als Alternative zu Schnürsenkeln, zum Befestigen medizinischer Bandagen und Prothesen oder als Kabelschutzmanschetten in der Elektronik von Automobilen und Flugzeugen.

Leider sind gängige Klettverbindungen aus Kunststoff nicht besonders beständig gegenüber Hitze und aggressiven Chemikalien. „Doch beispielsweise im Automobilbereich kann es sehr heiß werden. Schon ein in der prallen Sonne abgestelltes Fahrzeug erreicht Temperaturen von 80 °C. In der Nähe des Abgaskrümmers entstehen Temperaturen von mehreren Hundert °C. In Krankenhäusern werden zur Reinigung aggressive Desinfektionsmittel eingesetzt und beim Fassadenbau sind herkömmliche Klettbänder zu schwach,“ erläutert Mair die Problemlage. Unter der Leitung von Professor Dr.-Ing. Hartmut Hoffmann entwickelte das utg im Rahmen eines 2005 gestarteten Verbundprojektes des Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in enger Kooperation mit Partnern aus der Industrie eine Lösung: „Metaklett“, die stählerne Klettverbindung.

Temperaturen über 800 °C oder aggressive Lösungsmittel sind kein Problem für „Metaklett“ – und das bei einer Haltekraft von bis zu 35 Tonnen pro Quadratmeter bei Zug parallel zur Klettfläche. Senkrecht zur Klettfläche hält sie immer noch einer Zugkraft von sieben Tonnen pro Quadratmeter stand. Dennoch kann sie jedermann rasch und ohne jegliches Werkzeug lösen und wiederverschließen, wie einen Klettverschluss am Kinderschuh.

Als Werkstoff wählten die Forscher einen Federstahl, der hohe elastische Verformbarkeit mit hoher Festigkeit vereint. Am Computer entwarfen sie verschiedene dreidimensionale Modelle für das optimale Ineinandergreifen der Elemente. Vielversprechende Kandidaten bauten sie als Prototypen nach und unterzogen sie umfangreichen Tests. Allein von der „Flamingo“ getauften Geometrie wurden rund 40 Variationen am Computer getestet. Dabei studierten sie ihre Bindungsstärke und ihr Verhalten bei extremen Temperaturen, um die Grenzen ihrer Belastbarkeit auszuloten.

Zwei der geprüften Modelle machten schließlich das Rennen: ein Schnappverschluss, nämlich der Flamingo, und ein Haken-Ösen-System mit dem Namen Entenkopf. Beide bestehen aus einem 0,2 mm dicken Hakenband und einem ebenso dicken Ösen- oder Lochband. Das Entenkopfmodell ist dem etablierten Kunststoff-Klettband nachempfunden. Zahlreiche filigrane Stahlhaken können in jedem beliebigen Winkel in die Ösen eines Stanzflauschbandes greifen.

Noch stabiler ist die zweite Variante, der Flamingo. Er besteht aus breiteren Hakenelementen, die in die Durchbrüche eines Lochbandes einschnappen. Sie sind so gekrümmt, dass sie sich auf leichten Druck hin elastisch verformen und in die Löcher gleiten, ähnlich der Kunststoff-Steckschnallen an Rucksackriemen. Sie kehren sofort zu ihrer Ausgangsform zurück und halten durch die federnd spreizenden Arme wie ein Spreizniet einem Gegenzug stand.

Damit die Haken einschnappen können, müssen sie allerdings erst im richtigen Winkel, nämlich parallel oder senkrecht zum Lochband positioniert werden. Je nach Richtung der anliegenden Kraft hält diese Verbindung einer Belastung von 7 bis 35 Newton pro Quadratzentimeter stand. Nach einem anfänglichen Verlust von etwa 20 Prozent während der ersten zehn Versuche blieb die Bindungsstärke über unzählige Wiederholungen hinweg konstant.

„Die tierischen Namen sind entstanden, um die vielfältigen Modelle zu unterscheiden. Die Hakenformen erinnern entfernt an einen Entenkopf und einen Flamingo auf einem Bein.“ erklärt Mair die kreative Nomenklatur. Als dritte Alternative konzipierten die Wissenschaftler das Modell „Hybrid“, das ein Hakenband aus Stahl mit einem Flauschband aus Kunststoff kombiniert und so Textilien auf stabile, reversible Art befestigen kann.

Mögliche Einsatzfelder für Metaklett sind prinzipiell alle Bereiche, die auf leicht wieder lösbare aber stabile Verbindungen angewiesen sind, beispielweise die Gebäudetechnikindustrie, insbesondere der Klima- und Lüftungsbau sowie der Fahrzeugbau. „Metaklett eignet sich für vielfältige Anwendungen, bei denen die Kombination aus einfacher Herstellung und hoher Belastbarkeit der Verbindung entscheidend ist,“ begründete die Jury des Stahl-Innovationspreises die Auszeichnung des Projekts. Bei diesem nur alle drei Jahre vergebenen Preis konnte sich der metallische Klettverschluss in der Kategorie „Stahl in Forschung und Entwicklung“ gegen über 100 Mitbewerber durchsetzen und wurde am 30. Juni mit dem dritten Platz gekürt.

Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt METAKLETT wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung innerhalb des Rahmenkonzepts "Forschung für die Produktion von morgen" gefördert. Projektträger ist das Forschungszentrum Karlsruhe. Der TUM-Lehrstuhl erhält circa 500.000 Euro des gesamten Projektvolumens von rund 1,5 Millionen Euro. Industrielle Projektpartner sind die Reinz-Dichtungs-GmbH, Hölzel Stanz- und Feinwerktechnik sowie die Koenig Verbindungstechnik GmbH. Im Rahmen der Entwicklung erstellte Dr. Christoph Hein am Lehrstuhl seine Dissertation „Systematische Untersuchungen zu metallischen Klettverbindungen“

Der Beitrag wurde von mbe_utg bearbeitet: 12.10.2009, 12:42 Uhr
TOP    
Beitrag 12.10.2009, 14:16 Uhr
Mhue
Mhue
Level 3 = Community-Techniker
***
Gruppe: Mitglied
Mitglied seit: 13.09.2006
Beiträge: 174

Hallo,
das ganze klingt ja grundsätzlich interressant. Allerdings findet man weder auf
der Homepage, die man über google findet, noch in diesem Beitrag hier
wofür man es gebrauchen kann. Die beschriebenen Einsatzfelder sind mir etwas zu
weitläufig.Ein paar Anwendungsbeispiele in Wort und Bild wären nicht schlecht.
Ich könnte mir Maschinenabdeckungen oder sowas in der Art vorstellen,
aber wie verhält sich das ganze wenn man es auf einen starren Untergrund den
man nicht biegen kann anbringt? Kann man es dann noch lösen?
Was ist mit starken Vibrationen?
Kann man es immernoch lösen wenn es stellenweise gequetscht wurde? (Stapler rammt Maschinenabdeckung)...

Schöne Grüße
Matthias
TOP    
Beitrag 12.10.2009, 15:25 Uhr
matthias henkel
matthias henkel
Level 5 = Community-Ingenieur
*****
Gruppe: Mitglied
Mitglied seit: 05.08.2003
Beiträge: 619

Hallo Martin,


danke für den wirklich interessanten Artikel. Zur Abwechslung mal nicht nur Fragen und Probleme sondern mal ein interessanter Einblick jenseits des wirtschaftlichen Tagesgeschäftes.

Gerne mehr davon daumup.gif

Gruß


matthias

P.S.: @ Mhue Anwendungsfall ist doch eindeutig beschrieben: Ein lösbare, dabei aber feuerfeste Verbindung. Damit kann man doch etwas anfangen smile.gif


--------------------
QsQ Werkzeug- und Vorrichtungsbau
41812 Erkelenz
www.schweissvorrichtung.de
TOP    
Beitrag 12.10.2009, 15:50 Uhr
mbe_utg
mbe_utg
Level 1 = Community-Lehrling
*
Gruppe: Mitglied
Mitglied seit: 25.08.2009
Beiträge: 6

QUOTE (Mhue @ 12.10.2009, 14:16) *
Hallo,
das ganze klingt ja grundsätzlich interressant. Allerdings findet man weder auf
der Homepage, die man über google findet, noch in diesem Beitrag hier
wofür man es gebrauchen kann. Die beschriebenen Einsatzfelder sind mir etwas zu
weitläufig.Ein paar Anwendungsbeispiele in Wort und Bild wären nicht schlecht.
Ich könnte mir Maschinenabdeckungen oder sowas in der Art vorstellen,
aber wie verhält sich das ganze wenn man es auf einen starren Untergrund den
man nicht biegen kann anbringt? Kann man es dann noch lösen?
Was ist mit starken Vibrationen?
Kann man es immernoch lösen wenn es stellenweise gequetscht wurde? (Stapler rammt Maschinenabdeckung)...

Schöne Grüße
Matthias


Hallo Matthias,

konkrete Anwendungen gibt es für das System (noch) keine. Denkbar wäre zum Beispiel die Befestigung von Abgasanlagen beim Kfz. Aber der Fantasie sollten da keine Grenzen gesetzt sein. Ich selbst habe mit der Entwicklung nichts zu tun und kenne die genauen Anwendungsfelder und Eckdaten nicht genau, aber soweit ich weiß wären zwei unbiegsame Flächen zum Lösen sicherlich schwierig, aber solange eine flexibel ist dürfte es keine Probleme geben.
Vibrationen dürften (wie bei allen anderen Fügeverfahren) sicherlich problematisch sein. Das müssten Dauerversuche klären.
Eine starke Verformung des Verschlusses würde sicherlich die Lösekraft erhöhen, aber solange das nur lokal begrenzt ist dürfte es keine größeren Probleme geben. Ein Bild von einem Verschlusssystem hab ich mal angehängt.

Gruß,

Martin

An den anderen Matthias:

Vielen Dank für die freundliche Begrüßung. Freut mich, dass dich das Thema interessiert.
Angehängte Datei(en)
Angehängte Datei  metaklett.jpg ( 39.34KB ) Anzahl der Downloads: 184
 
TOP    
Beitrag 22.10.2009, 14:32 Uhr
Lipp
Lipp
Level 6 = Community-Doktor
******
Gruppe: Mitglied
Mitglied seit: 08.06.2005
Beiträge: 888

sorry ..mit ueberarbeitem firefox hat sich eine seite 2 hinzugescrollt in anderem Themenbereich.
bitte loeschen...

was es nicht alles gibt?!?!?!mus sich nachgucken@ bloss aendern

gruss lipp

Der Beitrag wurde von Lipp bearbeitet: 22.10.2009, 14:34 Uhr
TOP    
Beitrag 22.10.2009, 18:49 Uhr
Daniel .
Daniel .
Level 7 = Community-Professor
*******
Gruppe: Mitglied
Mitglied seit: 21.02.2002
Beiträge: 1.440

Interessanter Beitrag, Quasi DUAL-Lock aus Metall!

Nur wie kommt der Klett zum Bauteil? Kleben? Punktschweissen? ....


--------------------
Gruß Daniel
_____________________________________________
TOP    
Beitrag 23.10.2009, 11:30 Uhr
mbe_utg
mbe_utg
Level 1 = Community-Lehrling
*
Gruppe: Mitglied
Mitglied seit: 25.08.2009
Beiträge: 6

... Verschrauben, Löten, Nieten. Eigentlich alles möglich.
TOP    



1 Besucher lesen dieses Thema (Gäste: 1)
0 Mitglieder: