Frank Kirchner

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Forschung

Bremer Roboter-Team simuliert
Marsmission in Utah

Eine große Herausforderung bei der Erkundung des Mars durch Roboter stellt die unebene, von Gräben und Kratern gezeichnete Oberfläche des Roten Planeten dar. Ob die Systeme dem unwegsamen Gelände gewachsen sind, müssen sie zunächst auf der Erde beweisen – zum Beispiel in der felsigen Wüstenlandschaft des US-Bundestaats Utah. Wissenschaftler vom Robotics Innovation Center des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) haben ihre Robotersysteme und deren Kooperationsfähigkeit im Rahmen des Projekts Field Trials Utah (FT-Utah) auf die Probe gestellt.

Im Forschungsprojekt FT-Utah erforscht das DFKI gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität Bremen den Einsatz von Robotern bei der Erkundung fremder Planeten. Teil des Projekts war die vierwöchige Feldtestkampagne in der Wüste des amerikanischen Bundesstaats, in der die Systeme außerhalb des Labors in einer natürlichen, unstrukturierten Umgebung erprobt werden und zusammen mit einer in Bremen stationierten Kontrollstation eine komplette Missionssequenz simulieren sollten. Dafür reisten sechs DFKI-Wissenschaftler in die abgelegene Gegend nahe der Ortschaft Hanksville, wo sie die Basisstation für die Feldtests errichteten. Die Roboter sowie das benötigte Equipment hatten die Reise bereits einige Wochen zuvor, sicher in einem Schiffscontainer verstaut, angetreten.

Ungleiches Team stellt sich der Herausforderung

Zu den in Utah getesteten Systemen gehörten der Schreit- und Fahrrover SherpaTT sowie der Mikro-Rover Coyote III, die beide im Rahmen des Vorhabens TransTerrA am Robotics Innovation Center entwickelt und aufgebaut wurden. Der etwa 150 Kilogramm schwere SherpaTT, der sich dank seines aktiven Fahrwerks besonders gut für unwegsames Gelände eignet, verfügt über sechs standardisierte elektromechanische Schnittstellen, die dem Transport größerer Nutzlasteinheiten dienen. Zudem ist der Rover mit einem zwei Meter langen, zentral angebrachten Roboterarm – einem sogenannten Manipulator – mit sechs Freiheitsgraden ausgestattet, der es ihm ermöglicht, Bodenproben zu entnehmen und diese an den kleineren, mit 15 Kilogramm deutlich leichteren Coyote III zu übergeben.

Auch der Mikro-Rover erreicht durch den Einsatz von Sternrädern in Kombination mit einem passiven Fahrwerk eine hohe Mobilität in unstrukturiertem Gelände, insbesondere auf Steilhängen. Über zwei Schnittstellen lässt er sich mit Nutzlastcontainern und einem Roboterarm erweitern. Auf diese Weise kann auch Coyote III Nutzlasten befördern, weshalb er im Rahmen der Feldtests dem größeren SherpaTT als Supportsystem diente.

Komplettiert wurde das ungleiche Roboterteam durch immobile Einheiten, und zwar durch ein sogenanntes Basecamp sowie verschiedene mit elektromechanischen Schnittstellen ausgestattete Nutzlastcontainer. Das Basecamp wurde im Rahmen der Feldtests sowohl als Kommunikationsstation zur Weiterleitung von Daten als auch als modularer Knotenpunkt zur Aufnahme der Nutzlastcontainer eingesetzt, und von SherpaTT über eine Schnittstelle transportiert und aufgestellt. Die Nutzlastcontainer kamen in FT-Utah in erster Linie für Probenaufnahmen zur Anwendung. Die standardisierten Boxen können auch mit andersartiger Sensorik, Batteriepaketen oder Instrumenten ausgestattet werden.

Kontrolle aus über großer Entfernung

Für die Kontrolle der angestrebten Mission wurde ein Leitstand am Robotics Innovation Center in Bremen eingerichtet, der per Satellitenlink eine Kommunikationsverbindung zu den Robotern in Utah aufbaute. Das Virtual Reality Lab, eine interaktive 3D-Multiprojektionsanlage, ermöglichte es dem Operator, den Missionsstatus in einer virtuellen Realität zu beobachten. Neben einem Zeigegerät diente ein zweiarmiges Oberkörper-Exoskelett als Eingabe- und Kontrollgerät. Damit konnte der Operator die Roboter in Utah intuitiv mit natürlichen Bewegungsmustern steuern. Durch ein integriertes Force-Feedback erhielt er zudem direkte Rückmeldung über die auf den Manipulator von SherpaTT wirkenden Kräfte, wodurch er diesen in der 8300 Kilometer entfernten Umgebung sicher bewegen und platzieren konnte.

Neben der Kontrollstation in Bremen errichteten die Wissenschaftler auf dem Testgelände einen mobilen Leitstand. Dieser ermöglichte nicht nur den Test und die Durchführung von Missionssequenzen direkt vor Ort, sondern diente auch der Übermittlung der von den Robotern empfangenen Daten via Satellit nach Bremen.

Erfolgreiche Simulation einer Probenrückführungsmission

Bei den Feldversuchen konnten Teile einer sogenannten Mars-Sample-Return-Mission (Probenrückführmission) erfolgreich simuliert werden. Die einzelnen Missionsschritte wurden von der Bremer Kontrollstation aus gesteuert: Dafür forderte der Operator zunächst dreidimensionale Umgebungskarten von den Systemen sowie Fotos der Roboterkameras an, um sich ein Bild von der Umgebung machen zu können. Anschließend setzte er Wegpunkte in die Karten, die von den zwei Rovern autonom angefahren wurden. Am Ort der Probenahme angekommen, gelang es, den Manipulator von SherpaTT mithilfe des Exoskeletts manuell zu steuern. Nach einem Rendezvous der beiden Roboter navigierte Coyote III entlang der gesetzten Wegpunkte schließlich selbstständig zurück zum Ausgangspunkt.

Das autonome Verhalten der Roboter zu realisieren, erwies sich als große Herausforderung innerhalb der Feldtestkampagne, da nicht nur ein einzelnes System, sondern ein Roboterteam mit verschiedenartiger Sensorik zum Einsatz kam. Dieses musste sich – abgesehen von sehr groben Übersichtskarten – in komplett unbekanntem Gelände sicher bewegen. Dafür setzten die Wissenschaftler auf spezielle Selbstlokalisierungs- und Kartierungsalgorithmen, welche die Informationen aus den unterschiedlichen Sensoren integrierten und eine entsprechende Karte daraus generierten.

SherpaTT und Coyote III bei dedizierten Tests zur Lokomotion in steilen Hängen

Systemtests liefern wichtige Daten

Neben der kooperativen Mission wurden die Systeme auch einzeln hinsichtlich ihrer Mobilität in unstrukturiertem Gelände getestet. So überwand SherpaTT erfolgreich Steigungen bis zu 28 Grad – wobei seine aktive Bodenanpassung den permanenten Bodenkontakt aller vier Räder mit annähernd gleicher Lastverteilung sicherstellte. Coyote III bewältigte Steigungen bis zu 42 Grad und bezwang mithilfe eines Seilsystems sogar Steilklippen mit Überhängen. Insgesamt konnten die Wissenschaftler durch die Feldtestkampagne wichtige Erkenntnisse zur Robustheit und Bewegungsfähigkeit ihrer Systeme, sowie zur autonomen und kooperativen Erkundung unstrukturierter Umgebungen gewinnen. Durch den Einsatz des Virtual Reality Labs gelang es ihnen zudem, eine intuitive Missionssteuerung unter realitätsnahen Bedingungen zu demonstrieren.

FT-Utah und TransTerrA werden vom Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gefördert.

Titelbild: Florian Cordes, DFKI

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