SIMPLE-QUALITY
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Begriff "Produktion" im Geltungsbereich des Zertifikate zulässig?

Beitrag 13.10.2023, 07:34 Uhr
wfbm02
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Guten Tag,

wir sind eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung mit aktuell 12 Standorten und bereits seit 1999 nach DIN EN ISO 9001 zertifiziert. Neben dem Reha Bereich gibt es ein buntes Spektrum an Produktionsbereichen, Metall, Holz, Lasergravur, Textil, Verpackungsarbeiten, einfache Montagetätigkeiten und weitere Bereiche je nach Auftragslage.
Die Geschäftsführung veranlasst nun einen Wechsel der Zertifizierungsstelle. Nun gibt es im Vorfeld der nächsten Rezertifizierung schon Diskussionen um die Zertifikatsgestaltung. Bisher war neben anderen Reha spezifischen Begriffen auch allgemein  "Produktion"  im Geltungsbereich aufgeführt. Die neue Gesellschaft möchte nun jeden der oben genannten Produktionsbereiche detailliert und Standortbezogen einzeln aufführen und auch jeweils mit einem fachbezogenen Auditor begutachten. Zum einen treibt das die Auditkosten erheblich in die Höhe, auch unterliegen die Produktionsbereiche Schwankungen je nach Auftragslage. Bereiche kommen, Bereiche gehen. 
Bei der  bisherigen Gesellschaft war das kein Thema, die neue Gesellschaft beharrt auf fachbezogene Auditoren und verweist auf Vorgaben der DAKKS.
Kann bitte jemand Licht ins Dunkel bringen und sagen, wer liegt richtig? Wo steht das? Läßt sich das allein aus der Norm 4.3 begründen? Wiegesagt, unser Problem sind die immensen Mehrkosten durch den Auditaufwand; dabei sind wir reiner Auftrags- / Lohnfertiger mit einfachsten Tätigkeiten und einem geringen Teil an Eigenproduktion.
Danke und Gruß
   
Beitrag 13.10.2023, 08:14 Uhr
SQ-Wallner
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Unsere Auditoren haben auch nie Ahnung von unserem Gewerbe, die Aussage halte ich somit für nicht haltbar. Ohne jedoch jetzt Belege liefern zu können. Es wird ja das Management bewertet/zertifiziert und nicht das Produkt, welches ihr Herstellt. Sei das nun gesunde Menschen oder ein Stück hübsches Metall. 

Natürlich muss im Handbuch dann schon stehen was ihr macht und wo ihr das macht.

Wenn ihr Ärger mit dem Zertifizierer habt, wechselt ihn. Er ist in diesem Fall "nur" Dienstleister und es gibt genug Wettbewerber. Alleine der Kostenfaktor wird bei der Geschäftsführung für offene Ohren sorgen.
   
Beitrag 16.10.2023, 15:07 Uhr
Sonntag
Sonntag
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Guten Tag,
hier mein Versuch, etwas Licht ins Dunkle zu bringen.
Für Ihre ISO 9001 Zertifizierung benötigen Sie eine Zertifizierungsstelle. Ist die Zertifizierungsstelle in Deutschland, ist für bestimmte Branchen eine DAkkS (Deutsche Akkreditierungsstelle) Akkreditierung der Zertifizierungsstelle gesetzlich gefordert.
Sollte Ihr Unternehmen in Deutschland für die Automobilindustrie tätig sein, wird gemäß IATF 16949 mindestens eine ISO 9001 Zertifizierung von einem Zertifizierer mit (in Deutschland DAkkS) Akkreditierung gefordert.
In der DAkkS Vorschrift 71 SD 6 025 "Kompetenzanforderungen für Auditoren und Zertifizierungspersonal im Bereich QMS ISO 9001 und UMS ISO 14001" ist beschrieben, welche Kompetenzen die Auditoren benötigen.
Alle Unternehmen sind in Geschäftsfelder eingeordnet. Ihr Unternehmen gehört wahrscheinlich zum Geschäftsfeld 2 "Verarbeitendes Gewerbe". Innerhalb der Geschäftsfelder sind wiederum "IAF-Branchen" zugeordnet. Im Geschäftsfeld 2 gibt es z.B. die IAF Branche 06 "Holzgewerbe" oder IAF 17.2 + 18 "Metallbearbeitung, Herstellung von Metallerzeugnissen, Maschinebau".  Je mehr unterschiedliche Tätigkeiten auf einem ISO 9001 Zertifikat aufgeführt sind, müssen ggf. mehr IAF-Branchen die eingesetzten Zertifizierungsauditoren nachweisen und dafür zugelassen sein. Die DAkkS entsendet regelmäßig sogenannte Begutachter zu den Zertifizierungsstellen, die wiederum stichprobenartig u.a. auch die Qualifikationen der eingesetzten Zertifizierungsauditoren überprüfen. Im aller schlimmsten Fall könnte es passieren, dass ein DAkkS Begutachter feststellt, dass der Zertifizierungsauditor nicht die erforderliche Qualifikation hat und die DAkkS die Anweisung erteilt, dass die Zertifizierungsstelle die betroffenen ISO 9001 Zertifikate zurückziehen muss.     
Ich oute mich hier u.a. auch als DAkkS Begutachter und habe einen o.g.  Fall tatsächlich leider erleben müssen. Für alle Beteiligten ist dies nicht angenehm.
Konnte nun etwas Klarheit in die komplexe Materie gebracht werden?


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Mit freundlichen Grüßen
aus dem Naheland
Sonntag
   
Beitrag 16.10.2023, 15:58 Uhr
Sonntag
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Nachtrag:
die DAkkS Vorschrift 71 SD 6 025 "Kompetenzanforderungen für Auditoren und Zertifizierungspersonal im Bereich QMS ISO 9001 und UMS ISO 14001" kann im Internet eingesehen oder heruntergeladen werden.


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Mit freundlichen Grüßen
aus dem Naheland
Sonntag
   
Beitrag 16.10.2023, 16:41 Uhr
Sonntag
Sonntag
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Die DAkkS Regel 71 SD 6 025 wurde zum 02.09.2019 zurückgezogen und ist immer noch kostenfrei verfügbar. Das beschriebene Prinzip der IAF Branchen hat sich nicht geändert.
Die Normenreihe DIN EN ISO/IEC 17021-X enthält die gültigen Anforderungen an die Kompetenzanforderungen für Auditoren für Qualitäts-, Umwelt- und weitere Managementsysteme und legt Anforderungen, Definitionen und Hinweise für die Auditorenkompetenz fest.
Die genannten DIN sind nicht kostenfrei verfügbar und können  bei Beuth gekauft werden.


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Mit freundlichen Grüßen
aus dem Naheland
Sonntag
   
Beitrag 16.10.2023, 20:30 Uhr
Roland_Lapschiess
Roland_Lapschies...
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Herr Sonntag hat die Regeln der DAkkS nachvollziehbar dargelegt.
In einem wichtigen Aspekt möchte ich ihm allerdings widersprechen.
Eine Werkstatt für Menschen für Behinderung (WfMB) ist nicht in erster Linie ein Unternehmen, das dem „Geschäftsfeld 2 Verarbeitendes Gewerbe“ zuzuordnen ist. Die primäre Aufgabe einer WfMB ist es, Menschen mit Behinderung die Teilhabe am Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Es handelt es sich also um eine Organisation, die zum „Geschäftsfeld 11: Gesundheits- Veterinärwesen, Sozialwesen“ gehört.
Diese Zuordnung löst allerdings nicht das Problem, das sich aus den vielen kleinen, unterschiedlichen Produktionsbereichen und den Kompetenzanforderungen an die Auditor*innen ergibt.
Eine Möglichkeit, den Auditaufwand zu verringern, wäre eine klare organisatorische Abgrenzung des Anwendungsbereichs des QM-Systems (nach 4.3, ISO 9001). Der Normanwender kann festlegen, ob das QM-System für „… die ganze Organisation, bestimmte Funktionen der Organisation, bestimmte Bereiche der Organisation …“ (DIN EN ISO 9000:2015, S.36) gilt. Es kann also festgelegt werden, welche Produktionsbereiche in das zertifizierte QM-System einbezogen werden und welche nicht.
Produktionsbereiche, für die ein zertifiziertes QM-System nachgewiesen werden muss (z. B. durch Kunden oder Auftraggeber aus der Automobilbranche), würden dann zum zertifizierten Organisationsbereich gehören. Produktionsbereiche, für die kein zertifiziertes QM-System erforderlich ist, würden außerhalb des Anwendungsbereichs des zertifizierten QM-Systems liegen.
Die WfMB könnte ein QM-System nach ISO 9001 betreiben, das die gesamte Organisation umfasst. Gleichzeitig könnte Teil der Anwendungsbereich des zertifizierten QM-Systems auf bestimmte Produktionsbereiche eingeschränkt werden.

Viele Grüße, Roland Lapschieß
   
Beitrag 17.10.2023, 08:22 Uhr
Sonntag
Sonntag
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Guten Tag Herr Lapschieß,
vielen Dank für Ihren Beitrag und die Klarstellung. Aus Ihrem Profil ist zu entnehmen, dass Sie der Fachmann für das Gesundheits- und Sozialwesen sind.
Für diese Branche habe ich keine Zulassung und nur unzureichendes Wissen.
Das ist der Vorteil dieses Forums, dass es vieler Nutzer aus unterschiedlichen Branchen gibt, die wertvolle Facheiträge leisten.


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Mit freundlichen Grüßen
aus dem Naheland
Sonntag
   
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