SIMPLE-QUALITY
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Quality - Keep it simple...!!

Gesetzliche Aufbewahrungsfristen von Dokumenten

Beitrag 27.07.2010, 11:17 Uhr
ChrisG
Level 1 = Community-Lehrling
*
Hallo liebe Qualitätsgemeinde,

ich bin quasi ein "Greenhorn" was das Qualitätswesen angeht und in diese Sparte reingerutscht aber es macht mir tierisch Spass!

Ich habe aktuell ein Projekt vor der Brust, welches gestemmt werden will. (s. Topic)

Es geht um "Schriftgutverwaltung & Konformität" => "Records Management & Compliance"

Ich möchte da jetzt garnicht in die Tiefe gehen und über ISO 15489 etc diskutieren sondern ich suche die Basics um das Projekt zu starten.

Meine Frage:

Welche Aufbewahrungsfristen gibt es, die eindeutig gesetzlich vorgeschrieben sind?

Die Fristen 6 Jahre und 10 Jahre habe ich im HGB gefunden.

Gibt es noch weitere Fristen die beachtet werden müssen?

Es würde ich sehr freuen, falls einer der Kompetenten Leser mir eine Antwort geben könnte auf meine Frage.

vlg aus Paderborn

Chris

PS: Ich habe schon im Forum gesucht, auch einige Beiträge gefunden, aber nirgends die für mich relevanten Informationen! Sorry, deswegen der Post auch auf die Gefahr einer Doppelung.
   
Beitrag 27.07.2010, 13:53 Uhr
Sonntag
Level 7 = Community-Professor
*******
Guten Tag,

willkommen im Qualitätswesen.
Als Zulieferer der Automobilindustrie sollten Sie nicht nur die gesetzlcihen, sondern auch die Ihren Kunden vertraglich zugesagten (Kundenspezifische Anforderungen) Aufbewahrungsfristen beachten.
Nach VDA Band 1 "Nachweisführung" wird eine Archivierungsdauer von 15 Jahren empfohlen.
Diese Empfehlung basiert einerseits auf die mittlere Fahrzeuglebensdauer (nach 15 Jahren ist die Mehrzahl der Fahrzeuge aus dem Verkehr gezogen) und andererseits aus dem Produkthaftungsgesetz (10 Jahre Verjährungsfrist zuzüglich 3 Jahre für die Einspruchsfrist des Klägers nach Eintritt des Schadens).

Mit freundlichen Grüßen
Sonntag


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Mit freundlichen Grüßen
aus dem Naheland
Sonntag
   
Beitrag 28.07.2010, 03:23 Uhr
WolfgangA
Level 7 = Community-Professor
*******
Hallo,

dem absolut korrektem Beitrag von Herrn Sonntag ist evtl. nur zu zufügen:

-Qualitätsanforderungsdokumente: 15Jahre nach Erstellung bzw. EOP+15 Jahre
-Qualitsaufzeichnung der Einzelnen Einheit eines Produktes: 15Jahre nach Erstellung
-Sonstige Qualitätsaufzeichnungen von z.B. Freigabeprozessen: 15Jahre nach Erstellung
-Qualitätsaufzeichnungen bei Ersatzteilen: 15Jahre + Lagerungsdauer

Diese Angaben basieren auf dem VDA Band 1

Gruß
Wolfgang
   
Beitrag 28.07.2010, 05:38 Uhr
ChrisG
Level 1 = Community-Lehrling
*
Vielen Dank schon mal für die schnelle Auskunft.

Ich habe gestern auch ncoch ein wenig recherchiert und bin nun zu folgender Gliederung gekommen:

***6 Jahre

Gilt für:

- Empfangene
Handelsbriefe

- Gesendete Handelsbriefe

- Geschäftspapiere

- Sonstige Dokumente mit
kaufm. / steuerl. relevanz

*** 10 Jahre

Gilt für:

- Inventar

- Handelsbücher

- Rechnungen

- Urkunden

- Hypotheken


*** 15 Jahre

Gilt für:

- Dokumentationen über kundenspezifische Anforderungen

-Qualitätsanforderungsdokumente: 15Jahre nach Erstellung bzw. EOP+15 Jahre

-Qualitsaufzeichnung der Einzelnen Einheit eines Produktes: 15Jahre nach Erstellung

-Sonstige Qualitätsaufzeichnungen von z.B. Freigabeprozessen: 15Jahre nach Erstellung

-Qualitätsaufzeichnungen bei Ersatzteilen: 15Jahre + Lagerungsdauer

****

Wie sieht es mit der Frist von 30 Jahren aus?

Wir haben in unseren VAs 1-2 Stellen wo Dokumente wegen Kundenanforderungen 30 Jahre aufbewahrt werden müssen, aber gibt es auch gesetzliche/anderweitige Anforderungen an Dokumente, diese 30 Jahre aufzubewahren?


Danke schon mal im Voraus für die Unterstützung
   
Beitrag 28.07.2010, 07:18 Uhr
Sonntag
Level 7 = Community-Professor
*******
Guten Tag,

meine Ergänzung zu Ihrer Liste als Empfehlung:
alle Unterlagen für die Erstbemusterung (PPAP) und ggf. auch das Rückstellteil sollten Sie
15 Jahre ab der letzten Lieferung aufbewahren.
Eine Archivierungsdauer von 30 Jahre gibt es nach meinem Kenntnisstand beim Kraftwerksbau.


Mit freundlichen Grüßen
aus dem Naheland
Sonntag


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Mit freundlichen Grüßen
aus dem Naheland
Sonntag
   
Beitrag 02.08.2010, 19:51 Uhr
zander-consult
Level 1 = Community-Lehrling
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Hallo zusammen,

die Aufbewahrungsfrist leitet sich meines Erachtens stark aus dem BGB §199 ab. Dort ist als Verjährungsfrist bei Zitat: "...Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit ..." 30 Jahre definiert. Alle Produkte oder Prozesse, bei denen aus dem ProdHaftG solche "Zivilrechtlichen" Belange entstehen könnten, sollten mit 30 Jahren Archivierung gesichert werden.
Beispiel hierfür:
- Aufzeichnungen über Konformitätsprüfungen (Schussprüfungen)
- Aufzeichnungen über definierte Zertifikatsprüfungen (z.B. ATEX)
Die Aufbewahrung von Erstmuster-Prüfberichten hat das KBA leider nicht so einfach definiert wie VDA. Dort heißt es 15 Jahre nach letzter Verwendung. Das ist bezogen auf einen Zulieferer im automotive-Bereich was anderes als letzte Lieferung.
Auf den Punkt gebracht: Mit 30 Jahren macht man relativ wenig falsch. Aber für eine interne Regelung mit kürzeren Zeiten sollte man die Risiken aus o.g. Gesetzeslage bewerten und eine Liste der Dokumente und deren Aufbewahrungzeiten erstellen.
Ist leider auch ein Thema, über das sich herrlich mit externen Zertifizierungs-Auditoren diskutieren lässt.

freundliche Grüße
   
Beitrag 03.08.2010, 15:01 Uhr
LKlecker
Level 1 = Community-Lehrling
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zander-consult schrieb:
QUOTE
Hallo zusammen,

die Aufbewahrungsfrist leitet sich meines Erachtens stark aus dem BGB §199 ab. Dort ist als Verjährungsfrist bei Zitat: "...Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit ..." 30 Jahre definiert. Alle Produkte oder Prozesse, bei denen aus dem ProdHaftG solche "Zivilrechtlichen" Belange entstehen könnten, sollten mit 30 Jahren Archivierung gesichert werden.
Beispiel hierfür:
..


Hallo zusammen,

in das hier zitierte Thema passen auch die Unterlagen über arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen (Gesundheitskartei), die noch in 30 Jahren lesbar sein müssen - das heißt, jeweils 30 Jahre nach Ausscheiden des betreffenden Mitarbeiters aus der Firma. So lässt sich auch später noch nachweisen, dass alle gesetzllich vorgeschriebenen Untersuchungen durchgeführt wurden, und zu welchem Ergebnis diese geführt haben - für den Fall, dass der Mitarbeiter gesundheitliche Spätfolgen aus seinem Arbeitsleben hat und die Ursache dafür gesucht wird. So hat es mir kürzlich ein Betriebsmediziner erklärt.

Herzliche Grüße
Laurenz Klecker
   
Beitrag 04.08.2010, 05:31 Uhr
ChrisG
Level 1 = Community-Lehrling
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Guten Morgen, wink.gif

und danke für die rege Teilnahme an der Diskussion.

Die 30 Jahre durch das BGB und bzgl. der Krankenakten klingt schon mal fundiert. Interessant wäre doch noch die Quelle des Betriebsarztes zu erfahren da ich diese in gegebener Situation bestimmt zitieren darf.

Alles in allem ist das qualitätsorientierte Dokumentenmanagement / ECM kein kleines - einfaches Thema ...aber es macht mir doch langsam wirklich spass!

Meiner Ansicht nach ist es ein Thema was immer wichtiger wird, vorallem wenn man in der Pflicht ist, einen bestimmten Nachweis nach Jahrzehnten noch vorlegen zu können.

Das Problem vor dem ich allerdings stehe ist, dies alles in 60 - 70 Jahre alte Strukturen einzubinden...was sicher die größte Herausforderung wird.


In diesem Sinne wünsche ich einen erfolgreichen Tag!


Chris
   
Beitrag 04.08.2010, 09:16 Uhr
LKlecker
Level 1 = Community-Lehrling
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ChrisG schrieb:
QUOTE
...
Die 30 Jahre durch das BGB und bzgl. der Krankenakten klingt schon mal fundiert. Interessant wäre doch noch die Quelle des Betriebsarztes zu erfahren da ich diese in gegebener Situation bestimmt zitieren darf.
...
Chris


Guten Morgen,

weil es mich selbst interessiert hat, habe ich beim Betriebsarzt direkt noch einmal nachgefragt.
Quelle ist zunächst die Arbeitsmedizinische Vorsorgeverordnung (ArbMedVV), in der es heißt:
"Über Pflichtuntersuchungen hat der Arbeitgeber eine Vorsorgekartei mit Angaben über
Anlass, Tag und Ergebnis jeder Untersuchung zu führen; die Kartei kann automatisiert
geführt werden. Die Angaben sind bis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses
aufzubewahren und anschließend zu löschen,..."
doch nun kommt der Pferdefuß: "...es sei denn, dass Rechtsvorschriften
oder die nach § 9 Abs. 4 bekannt gegebenen Regeln etwas anderes bestimmen."
Und hier gibt es dann die Empfehlung aus einem "Blauen Buch der Arbeitsmedizin", insbesondere
hinsichtlich der Vorsorgeuntersuchungen "Lärm" oder beim Umgang mit Gefahrstoffen
die Daten 30 Jahre aufzubewahren, um für eventuell später aufkommende Regressansprüche
bei Berufskrankheiten gewappnet zu sein.
Früher standen die 30 Jahre noch explizit irgendwo vorgegeben, heute ist es im Zuge der
Deregulierung leider ein wenig unübersichtlicher geworden, man kann sich teilweise nur noch
an Erfahrungswerten aus älteren Regeln, Empfehlungen oder der Rechtsprechung orientieren.

Ich nehme stark an, dass sich diese 30 Jahre ebenfalls auf die Verjährungsfristen aus dem
schon zitierten §199 BGB beziehen.

Beste Grüße
Laurenz Klecker
   
Beitrag 12.08.2010, 08:42 Uhr
ConnyQM
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Hallo zusammen,

wie sieht es eigentlich aus, wenn während der Aufbewahrungsfirst Unterlagen durch einen Feuer- oder Wasserschaden zerstört werden?? :huh:

Gruß,
Conny
   
Beitrag 12.08.2010, 09:49 Uhr
ChrisG
Level 1 = Community-Lehrling
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Nach meiner Ansicht gibt es da 2 Möglichkeiten:

1. Die Unterlagen werden nie gebraucht und alles ist gut.

2. Die Unterlagen werden zur Klärung von Warrenty Bestimmungen, Steuer, Strafverfahren, Zivilverfahren etc. benötigt

In dem Fall hast du deine Dokumentations"pflicht" verletzt und kannst keine Beweise in Form von archivierten Dokumenten bringen um dich zu entlasten.

Die Folgen sind dann immer Individuell zu verhandeln wink.gif


my 2 cent


Beste Grüße
   
Beitrag 01.08.2018, 13:43 Uhr
MarieF
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Hallo zusammen,

auch ich bin Qualitätsneuling und greife heute dieses Thema noch einmal auf.
Meine Firma ist im Bereich des Brandschutzes tätig. Hängt die Aufbewahrung da jetzt mit dem "Leben" in Zusammenhang?
Klar wenn das Produkt versagt schon, direkt aber nicht? Ist ja keine "Herz-Lungen-Maschine" :dry:

Noch eine Frage:

Wie sieht es mit der Aufbewahrung von Zertifikaten, Auditprotokollen etc aus? Gibt es hier auch Vorgaben?

Vielen Dank smile.gif
   
Beitrag 02.08.2018, 06:41 Uhr
SQ-Rud
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Hallo MarieF,

meines Erachtens gelten die 30 Jahre auch für euch.
Ich kenne das aus unserem Unternehmen. Wir stellen bei weitem keine "Herz-Lungen-Maschinen" her, von der Nähe zum "Leben" schätze ich uns sogar noch weiter weg ein. Wir bewahren Unterlagen, die mit gesundheitlichen Folgen in Zusammenhang gebracht werden können, grundsätzlich länger als 30 Jahre auf.

Viele Grüße
   
Beitrag 02.08.2018, 06:48 Uhr
MarieF
Level 1 = Community-Lehrling
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QUOTE
Wir stellen bei weitem keine "Herz-Lungen-Maschinen" her, von der Nähe zum "Leben" schätze ich uns sogar noch weiter weg ein.


Ja, das war absichtlich etwas spitz formuliert. cool.gif
Wir lange hebt ihr denn "Qualitätsdokumente" die außerhalb von der Fertigung existieren auf? Und welche? (z.B. Audits des Bürobereichs, Zertifikate, Nachweise...)
Gibt es hier überhaupt eine Regelung?

Grüße
Marie
   
Beitrag 02.08.2018, 07:11 Uhr
SQ-Rud
Level 1 = Community-Lehrling
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QUOTE
Audits des Bürobereichs, Zertifikate, Nachweise...

... so lange wir Platz haben. Bei Audits sehe ich die 30-Jahres-Frist nicht gegeben, ich beziehe die Frist wirklich auf die Produktsicherheit.
   
Beitrag 02.08.2018, 07:12 Uhr
MarieF
Level 1 = Community-Lehrling
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QUOTE
... so lange wir Platz haben..


Das ist in der digitalisierten Welt eine mutige Aussage biggrin.gif
Aber danke für deine Einschätzung. smile.gif
   
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