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VDWF News

Branchentreff für den Werkzeug- und Formenbau

Über reges Interesse durften sich die Veranstalter des Branchentreffs, die Meusburger Georg GmbH & Co KG und die FH Schmalkalden, bei ihrem Branchenforum Mitte März freuen. Rund 130 Fachleute aus allen Teilen Deutschlands folgten der Einladung nach Schmalkalden, um sich über die neuesten Entwicklungen im Werkzeug- und Formenbau zu informieren.

Gemeinsam mit der FH Schmalkalden eine Plattform für den Austausch von Werkzeug- und Formenbau-Themen zu etablieren sei das erklärte Ziel dieser Veranstaltung gewesen, sagte Andreas Sutter in seiner herzlichen Begrüßungsansprache. Der Marketingleiter der Meusburger Georg GmbH & Co KG unterstrich, dass man als Partner für die Branche – wie auch schon bei früheren Veranstaltungsreihen – nicht nur Wissen vermitteln, sondern mit anregenden Vorträgen von Anwenderseite aus auch einen Blick über den Tellerrand bieten und zu Diskussionen anregen möchte.

Werkzeugbau 4.0

Auch Professor Thomas Seul, VDWF-Präsident und Prorektor für Forschung und Transfer der FHS, hieß das Auditorium und die Referentenrunde an der Hochschule überaus willkommen und ging mit seinem Vortrag „Werkzeugbau 4.0 – Potentiale, Strategien, Umsetzungsmöglichkeiten“ auch gleich ans „Eingemachte“. Werkzeugbau 4.0, „das mag der ein oder andere gar nicht mehr hören wollen“, führte Seul ins Thema, andererseits werde das Geld im Werkzeug- und Formenbau nicht durch Sparen verdient, sondern durch Know-how. Und hier müsse man investieren, „um „wettbewerbsfähig und Taktgeber für Innovationen und Ausbildung zu bleiben“.

Die Sichtweise auf den Begriff „Industrie 4.0“ unter dem Aspekt „vernetzte Systeme“ bedeute für den Werkzeugbau, dass das Produktionsmittel zukünftig „mitdenkt“ und z. B. Informationen aus dem Werkzeug über Viskosität, Temperatur der Schmelze oder über den Einspritzguss zur Regelung an die Spritzgießmaschine gesendet werden, erklärte Seul. Solche Systeme zur eingebetteten Überwachung von Prozessparametern können aber auch zum „Gehirn“ des Werkzeugs werden und Daten der Erstabmusterung, der letzten Änderung, aber auch Schusszahlen oder die Luftfeuchtigkeit bei der Lagerung des Werkzeugs dokumentieren.

„Man darf hier aber nicht übers Ziel hinausschießen“, erklärte Professor Seul. Solche Systeme seien nicht für „Auf-Zu-Werkzeuge“, sondern eher bei Mehrfachkavitäten, bei der Produktion risikobehafteter Bauteile oder bei der Reinraumproduktion sinnvoll. Dennoch ließen sich aus der Auseinandersetzung mit Industrie 4.0 künftige Geschäftsmodelle im Werkzeug- und Formenbau ableiten. Ähnlich wie im Kfz-Bereich könne beispielsweise die Instandhaltung von Werkzeugen ein Betätigungsfeld sein: „Wenn die notwendigen Parameter vorhanden sind, können wir auch Garantien geben – natürlich bei geregelten Serviceintervallen – und das weltweit“, so Seul, denn Werte schaffen sei das Ziel! Als weiteren Ausblick erklärte Professor Seul den Zuhörern, dass Elektronik zunehmend Einzug in die Werkzeug- und Formenbaubranche nehmen werde.

Quasi als Beleg hierfür zeigte Thomas Seul ein Forschungsprojekt seines Labors „Angewandte Kunststofftechnik“: In einem «eingebetteten Diagnosesystem» (EDS) eines 2K-Spritzgießwerkzeugs laufen die Daten aus 14 Sensoren zusammen und werden dort gespeichert und ausgewertet – auch während der Einlagerung, da im Bauteil auch ein Akku untergebracht ist. Verstärker, Schaltplan, Software etc. wurden an der FHS im Labormaßstab selbst entwickelt. Ziel ist die Überwachung, die Selbstobtimierung und über die Beurteilung den Spritzgießprozess zu regeln.  Die weiteren Entwicklungsschritte, so Seul, sollen das Gerät auch internettauglich machen und die Maße in Richtung der Größe weniger Schokoladentafeln bringen.

Quality Engineering

Den zweiten Vortrag des Tages hielt Timo Steinebrunner, Vertriebsleiter Formenbau bei der Braunform GmbH aus Bahlingen. Unter dem Titel „Der Formenbau als Partner für die moderne Spritzguss-Produktion“ präsentierte Steinebrunner die analytische Herangehensweise für ein Quality Engineering bei Braunform. Im Fokus steht hierbei die Frage, wie man es schafft, Qualität vorauszudenken bzw. zu planen. Im Zentrum aller kooperativer Prozesse stehe dabei der Mensch als handelnder Akteur. Darum herum stellt Timo Steinebrunner die Faktoren Risikomanagement, Entwicklungsprozesse, Werkzeug- und Prozessqualifikation, Wissens- und Informationsmanagement und nicht zuletzt auch rechtliche Vereinbarungen wie z. B. die Verfahrensweise bei Geheimhaltungs-Abkommen.

Ganz konkret geht es aber um stabile Prozesse und Effizienzsteigerung in der Produktion. Aus der Sichtweise des Werkzeug- und Formenbaus entstehen die größten Qualitäts-, Leistungs- oder Verfügbarkeitsverluste dann, wenn die Erkenntnisse aus den Phasen der Ideengenerierung, der Ideenqualifizierung und des Prototypings nicht in die späteren Pilot- oder Serienwerkzeuge Eingang finden. „Und umgekehrt muss der Werkzeug- und Formenbau sein Wissen aus dem Serienwerkzeugbau bereits in der Prototypenphase einbringen“, so der Braunform-Vertriebsleiter. „Gerade zu diesem Zeitpunkt passiert viel und der Wissenstransfer muss zum richtigen Zeitpunkt geschehen, sonst entsteht ein höherer Kosten- und Zeitaufwand, den es aber im Sinne des Kunden zu vermeiden gilt.“ Andererseits sei ja das Ziel, absolut zuverlässige Betriebsmittel zu erstellen, erklärt Steinebrunner. Bei Braunform fasse man diese Bestrebungen unter dem Begriff „Design for Manufacturing“ zusammen.

Das Fallbeispiel, das Timo Steinebrunner dann präsentierte, ließ die Forumsbesucher im Vortragssaal gebannt auf die Leinwand blicken: In Zusammenarbeit mit dem Kunden und dem Designer wurden auch die produktionstechnischen Anforderungen in die Produktentwicklung einbezogen, um später ein leistungsfähiges und robustes Serienwerkzeug für eine Kanülenaufnahme herstellen zu können. Wanddicken wurden minimiert, die Werkzeugtemperierung wurde optimiert und auch Oberflächenbeschichtungen waren vorgesehen, um auf Schmiermittel verzichten zu können.

Die Zykluszeit des letztendlich gefertigten 96-fach-Werkzeugs konnte gegenüber bisheriger Serienwerkzeuge für dieses Produkt etwa halbiert werden und liegt bei unter 4 Sekunden. Per Animation und Videomaterial aus der Produktion zeigte Steinebrunner die weiteren spannenden Aspekte des Fallbeispiels zur Konzeption der Nadelverklebung, er zeigte die Kamerakontrolle der gefertigten Teile und die Entnahme der Kunststoff-Bauteile, die schneller als der freie Fall vonstattengeht. „Dies alles sind Aspekte, die zeigen, dass wir mit den Augen unserer Kunden schauen müssen, damit eine langfristige Partnerschaft in gegenseitigem Interesse entsteht“, schloss Timo Steinebrunner seine Ausführungen.

Wissensmanagement – praxisorientiert, operative, skalierbar

Im letzten Vortrag berichtete Andreas Sutter über Umgang und Erfahrungen im Bereich Wissensmanagement bei Meusburger - oder wie es der Marketingleiter ausdrückte: Wie man das Wissen von den Köpfen auf die Server bekommt. Gerade in der Werkzeug- und Formenbaubranche mit ihren vielen Sonderlösungen werde Know-how über das „selbst Erarbeiten“ generiert. Hierbei implizites Wissen in explizites, also jedem zugängliches Wissen zu transformieren sei ein echter Wettbewerbsvorteil, „nicht nur, damit Know-how beim Wechsel eines Mitarbeiters nicht verlorengeht“, so Sutter, sondern auch, damit jeder im Betrieb von den Erfahrungen seiner Kollegen profitieren könne. Andreas Sutter gab hier auch einen Einblick in die Meusburger-Struktur: Es verhalte sich im Unternehmen wie bei einem Eisberg. 20 Prozent des Wissens im Betrieb sei für alle „sichtbar“, also explizit, 80 Prozent liege aber immer noch versteckt unter der Wasseroberfläche, sei also implizit in den Köpfen der Mitarbeiter. Aber man arbeite kontinuierlich daran, dieses Verhältnis zu verändern. Zum Beispiel indem man bei Meusburger für die Wissensdatenbank definierte und standardisierte Dokumentenvorlagen erarbeitet hat, auf denen auch immer ein Ansprechpartner anzugeben ist.

Andreas Sutter: „Nachfragen zu bestimmten Problemlösungen wiederholen sich. Wenn man einen Prozess einmal verständlich abgebildet hat, lässt er sich für den, der ihn niedergeschrieben hat, und für denjenigen, der ihn wiederholen soll, viel effizienter umsetzen – vor allem wenn mehrere Personen sich mit demselben Thema auseinandersetzen.“ Bei Meusburger habe man zudem weitere wesentliche Indikatoren festgestellt, wann es sinnvoll ist, Wissen festzuhalten: beispielsweise wenn das Thema sich auf die beschriebene Kernkompetenz des Unternehmens beziehe oder ein Arbeitsschritt zur Entwicklung eines Prozesses beiträgt, erklärte Sutter.

Auf der anderen Seite müsse man auch darauf achten, dass der Verwaltungsaufwand nicht den Nutzen übersteigt - z. B. bei nur einmaliger Wiederverwertung eines festgehaltenen Vorgangs. Nur sei manchmal gar nicht von vornherein klar, so Sutter, was nach der Dokumentation passiert. Die Verteilung des Wissens – hier müsse man übrigens die Zielgruppen genau umreißen - sei die Basis für die Weiterentwicklung, der „Startpunkt einer Bewegung“, sagte Sutter. „Nichts ist bei uns in Stein gemeißelt, jedes Dokument kann auch fusioniert werden.“

Zum Abschluss seiner Ausführungen bot Andreas Sutter allen interessierten Unternehmen weiterführende Hilfe in Form von Fallbeispielen, aber auch von konkreten Ratschlägen an und unterstrich das Interesse, die Branche effizienter zu machen. „Wissen besser zu integrieren, muss ein gemeinsames Ziel sein“, sagte Sutter und wies darauf hin, dass es zu Beginn zwar gelte, Hürden zu überwinden, von denen man sich aber nicht abschrecken lassen soll. Der Nutzen komme über die Zeit und auch die Qualität steige – spätestens dann wird Wissensmanagement zum Selbstläufer. Und dies gelte auch für Werkzeugmacher.

Werkzeuge und Kunststoffe in der Medizintechnik: Eröffnung des Laborbereichs Bioanalytik

Wer nun dachte, dass zur einstündigen Kaffeepause am Nachmittag etwas Ruhe einkehren würde, hatte sich getäuscht. Hier stand nämlich die Eröffnung des Bioanalytik- und Zellkulturbereichs im Labor für angewandte Kunststofftechnik auf der Agenda, wo nun u. a. im Themenfeld Biokompatibilität im Werkzeug- und Kunststoff-Umfeld in der Medizintechnik geforscht wird. Auf zwei Stockwerken waren die unterschiedlichsten Gerätschaften in Betrieb und fachkundige Institutsmitarbeiter gaben den neugierigen Besuchern bereitwillig Auskunft. Und so vergaßen etliche Forumsbesucher bei der Beobachtung der laufenden Spritzgießmaschinen gar, sich ein Stückchen Kuchen zu sichern.

Podiumsdiskussion „Werkzeugbau 2020“

Dennoch glücklich, kamen alle Teilnehmer dann um 16 Uhr rechtzeitig wieder zur Diskussionsrunde „Werkzeugbau 2020“ zusammen. Diesen gut einstündigen Praxisdialog moderierte Susanne Schröder vom Carl Hanser Verlag. Gäste auf dem Podium neben den bereits vorgestellten Andreas Sutter und Professor Thomas Seul waren

- Stephan Hoffmann, Geschäftsführer der Formconsult Werkzeugbau GmbH aus Schmalkalden,

- Dr. Stefan Roth von der B. Braun Melsungen AG,

- Jörg Schmidt, Geschäftsführer der Canto Ing. GmbH aus Lüdenscheid,

- Olaf Schmidt, Geschäftsführer des Werkzeugbau-Instituts Südwestfalen,

- Christian B. Töpfer, Geschäftsführer der Werkzeugbau Ruhla GmbH aus Seebach.

Die Runde beschäftigte sich in offenen Worten mit den Zukunftsthemen des Werkzeug- und Formenbaus – von Qualifizierung des Nachwuchses über neue Technologien, die in den Unternehmen Einzug halten werden, bis zu weichen Faktoren wie Unternehmenskultur und Betriebsklima. „Und plötzlich war die Zeit um“, sagte Susanne Schröder, „wir hätten noch den ganzen Abend weiterreden können.“ So ging es auch dem Publikum – bemerkenswert war, dass trotz der großen Zuhörerschaft eine rege Teilnahme an der Gesprächsrunde stattfand.

Ideale Plattform zum Informationsaustausch

«Der Werkzeug- und Formenbau ist heute ein Mannschaftsspiel – Netzwerke helfen», hob Thomas Seul am Ende des offiziellen Teils nochmals die Idee hinter dem Thüringer Branchentreff hervor. Besonders erfreut waren daher die Organisatoren auch über die Gäste, die aus den Werkzeugbau-Clustern aus Lüdenscheid und aus dem süddeutschen Raum nach Schmalkalden gereist waren.

Das exklusive Rahmenprogramm in der Viba-Nougat-Welt rundete dann die umfangreiche Veranstaltung ab. „Hier wird der ideale Rahmen geboten, um sich unter Fachleuten auszutauschen und neue Kontakte zu knüpfen“, sagte Andreas Sutter. Man musste nicht hellsehen können, um vorauszusagen, dass dies bis in die späten Abendstunden auch so geschah.

 

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Verantwortlich für den Inhalt dieser Pressemitteilung: Verband Deutscher Werkzeug- und Formenbauer e.V.

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