Normung

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Normung beschreibt die Vereinheitlichung von materiellen und immateriellen Gegenständen. Diese soll zur Vereinfachung des alltäglichen Lebens führen und machte unser modernes Leben und Arbeiten erst möglich. In Deutschland sind viele Dinge, wie von der Abreißhilfe von Toilettenpapier bis hin zu Schrauben und Muttern, durch das Deutsche Institut für Normung standardisiert.

Definition

Norm

Ein Dokument, das mit Konsens erstellt und von einer anerkannten Institution angenommen wurde und das für die allgemeine und wiederkehrende Anwendung Regeln, Leitlinien oder Merkmale für Tätigkeiten oder deren Ergebnisse festlegt, wobei ein optimaler Ordnungsgrad in einem gegebenen Zusammenhang angestrebt wird.[1]

Standard

Ein Standard ist eine Art und Weise in der etwas als mustergültig oder medellhaft angesehen wird. Andere gleichartige Dinge richten sich nach diesem Zustand. Ein Standard wird, falls er nicht gesellschaftlich als allgemeingültig angesehen wird, meist in Normen festgehalten. Oftmals verdrängt ein Standard eine oder mehrere Arten etwas durchzuführen.

Nachstehende tabellarische Übersicht veranschaulicht die wesentlichen Unterschiede zwischen Normen (de-jure standards) und Standards (de-facto standards):

Erarbeitungsprozess einer Norm
Normen Standards
umfassende Beteiligung aller interessierten Expertenkreise im Rahmen eines öffentlichen Einspruchsverfahrens nur eingeschränkte Beteiligung von Einzelgruppen oder nur von Teilen der interessierten Kreise sowie nur „inoffizielle“ Verabschiedung von erarbeiteten Dokumenten ohne öffentliches Verfahren
Heranziehung gesicherter Ergebnisse aus Wissenschaft und Technik mit hoher Zielorientierung für die Gesellschaft. Das bedeutet: Gegenstand sind nur Produkte, für die bereits gesicherte Erfahrungswerte vorliegen Gegenstand sind häufig Produkte, deren Entwicklung noch in den Anfängen steckt. Oftmals geht es hier um schnelllebige technische Produkte, die schnellen und häufigen Veränderungsprozessen unterliegen
Normen entstehen unter Beteiligung aller interessierten Kreise und stehen mit einem öffentlichen Einspruchsverfahren in Verbindung. Das bewirkt einen offiziellen Charakter, der auch von staatlichen Stellen anerkannt wird Standards kommen nur mit eingeschränkter Teilnahme interessierter Kreise in kleinerem Rahmen und ohne öffentliches Verfahren zwecks Findung eines gemeinsamen Konsenses zustande und haben daher eher „inoffiziellen“ Charakter

Fazit: Der Hauptunterschied besteht im Grad der Beteiligung.

Geschichte

Mit Beginn der industriellen Revolution und dem Bedarf an hochpräzisen Werkzeugmaschinen und austauschbaren Teilen wurde die Umsetzung von Standards in Industrie und Handel immer wichtiger. Henry Maudslay entwickelte 1800 die erste industriell einsetzbare Gewindeschneidemaschine, die es erstmals ermöglichte, die Gewindegrößen zu standardisieren. Joseph Whitworth's Schraubgewindemessungen wurden 1841 von vielen Unternehmen in England als erste (inoffizielle) nationale Norm übernommen. Es wurde als British Standard Whitworth bekannt und wurde über die Ländergrenzen hinaus angewendet.

Normund eines Gewindes nach der British Standard Whitworth

Am Ende des 19. Jahrhunderts sind viele unterschiedliche Standards vorhanden gewesen, die letztlich dem eigentlichen Ziel, die Handelsaktivitäten zu erleichtern, entgegenstanden. Um die Vereinheitlichung zu forcieren und dadurch den Handel zu verbessern, wurde 1901 das Engineering Standards Committee in London, als weltweit erstes nationales Normungsinstitut, gegründet. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden ähnliche nationale Gremien in anderen Ländern eingerichtet. Der Normenausschuss der deutschen Industrie (NADI) als Vorläufer des Deutschen Institutes für Normung (DIN) wurde 1917 in Deutschland gegründet. Danach folgten im Jahre 1918 deren Pendants in den USA mit dem American National Standard Institute (ANSI) und der französischen Kommission Permanente de Standardisation. Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts wurden Anstrengungen unternommen, um die elektrische Messung zu standardisieren. Rookes Evelyn Bell Crompton, der sich Anfang des 20. Jahrhunderts mit der großen Bandbreite an verschiedenen elektrotechnischen Normen und Systemen beschäftigte, erkannte in den 1890er Jahren, das viele auf den Markt angebotenen elektrischen Systeme ihre eigenen Einstellungen für Spannung, Frequenz, Strom und sogar die Symbole in Schaltplänen verwendeten. Das führt dazu, dass sogar in benachbarten Gebäuden völlig inkompatible elektrische Systeme installiert wurden, nur weil sie von verschiedenen Unternehmen kamen. Crompton konnte den Mangel an Effizienz in diesem System erkennen und begann, Vorschläge für eine internationale Norm für die Elektrotechnik zu prüfen. 1904 vertrat Crompton Großbritannien auf der Louisiana Purchase Exposition in St. Louis als Teil einer Delegation des Institute of Electrical Engineers. Er präsentierte seine Ideen wie die Normung funktionieren sollte in einem Paper, das bei den Teilnehmern so gut ankam, dass er gebeten wurde, die Bildung einer Kommission zur Überwachung des Normungsaktivitäten zu prüfen. Im Jahre 1906 legte Crompton einen "Satzung" für die erste internationale Normungsorganisation, die Internationale Elektrotechnische Kommission (IEC) vor. Das Gremium hielt seine erste Sitzung noch in diesem Jahr in London und war mit Vertretern aus 14 Ländern besucht. Lord Kelvin wurde zum ersten Präsidenten des Gremiums gewählt. Die International Federation of the National Standardizing Associations (ISA) wurde 1926 mit dem Ziel gegründet, die internationale Zusammenarbeit bei allen technischen Normen und Spezifikationen zu verbessern. Im Jahre 1942 ruhten dann zunächst sämtliche Aktivitäten der ISA während des Zweiten Weltkriegs. Nach dem Krieg wurde die ISA vom kürzlich gegründeten United Nations Standards Coordinating Committee (UNSCC) mit einem Vorschlag zur Bildung eines neuen globalen Normungsgremiums beauftragt. Im Oktober 1946 trafen sich Delegierte von ISA und UNSCC aus 25 Ländern in London und vereinbarten, gemeinsam die neue Internationale Organisation für Normung (ISO) zu gründen.

Gründer der ISO

1951 wird die erste ISO-Norm (damals noch als Empfehlungen bezeichnet), ISO/R 1:1951 Standard-Referenztemperatur für industrielle Längenmessungen, veröffentlicht. Seitdem wurde die Norm mehrfach aktualisiert und ist nun ISO 1:2002 Geometrical Product Specifications (GPS) - Standard reference temperature for geometrical product specification.

Meilensteine der deutschen Normungsgeschichte

  • 1917: Gründung des DIN als "Normenausschuss der deutschen Industrie" (NADI)
  • 1918: Veröffentlichung der ersten Norm (DIN 1: Kegelstifte)
DIN 1:Kegelstifte
  • 1920: DIN wird als eingetragener Verein beim Amtsgericht Berlin gemeldet.
  • 1922: Veröffentlichung der wohl berühmtesten deutschen Norm DIN 476 (Normung der Papierformate DIN A 4, etc.)
  • 1924: Gründung des Beuth Verlages zum Vertrieb der DIN-Normen gemeinsam mit dem Verein Deutscher Ingenieure
  • 1926: Der „Normenausschuss der Deutschen Industrie“ (NADI) wird umbenannt in „Deutscher Normenausschuss“ (DNA)
  • 1951: DIN wird Mitglied der International Organization for Standardization (ISO) mit dem Status der „einzigen zuständigen deutschen Organisation für Normung"
  • 1961: Gründung des Europäischen Komitees für Normung (CEN)
  • 1970: Gründung der DKE („Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik im DIN und VDE") durch das DIN und VDE (Verband deutscher Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik) zur Koordinierung der elektrotechnischen Normungsarbeit
  • 1975: Vertrag zwischen DIN und der Bundesrepublik Deutschland sowie Umbenennung des „Deutschen Normenausschusses“ (DNA) in „DIN Deutsches Institut für Normung e.V.“
  • 1996: DIN und der Beuth-Verlag richten erste Websites ein. Von nun an sind alle DIN-Normen und VDI-Richtlinien online unter http://www.beuth.de recherchierbar.
  • 2017: DIN feiert sein 100-jähriges Jubiläum

Ziele

1. Ziele der Normung Durch die Normung werden konsensbasierte Regeln, Leitlinien und Merkmale von Produkten oder Dienstleistungen beschrieben und durch eine anerkannte, national oder internationale, Organisation (z. B. DIN, DKE, ISO, IEC) herausgegeben bzw. veröffentlicht. Das Ergebnis der Normung ist die Norm, in der gesicherte Erkenntnisse aus Wissenschaft, Technik, aber auch Erfahrungen einfließen, mit dem Ziel, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vorteile im Zusammenleben oder die Zusammenarbeit zu fördern. Die Grundsätze der Normungsarbeit sind: • Freiwilligkeit; • Öffentlichkeit; • Zugänglichkeit (breite Beteiligung); • Einheitlichkeit; • Widerspruchsfreiheit; • Sachbezogenheit; • Konsensbasiert für den Nutzen der Allgemeinheit. Die Legimitation der Normung setzt die Zugänglichkeit und das Engagement aller interessierten Kreise voraus:

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Normung kommt vor allem in den Bereichen zur Anwendung, wo gleichartige oder ähnliche Produkte, Gegenstände oder Dienstleistungen von verschiedenen Personenkreisen, die an verschiedenen Orten beheimatet sein können, benötigt werden. Normung schafft Vereinheitlichung durch das Aufstellen und die Einführung von Richtlinien und Festlegungen mit dem Ziel: • die Verbesserung der Eignung von Produkten und Dienstleistungen, aber auch Prozessen für einen bestimmten Zweck sicherzustellen; • den Austausch von Waren und Dienstleistungen zu vereinfachen und dadurch zu optimieren; • die (technische) Kommunikation der Zusammenarbeit von Lieferanten und Kunden zu erleichtern; • anerkannte bzw. geforderte sicherheitstechnische Anforderungen zu spezifizieren; • der Rationalisierung und Verminderung von Vielfalt zu fördern und • die Sicherstellung der Kompatibilität und Gebrauchstauglichkeit. Neben der Norm gibt es auch noch sogenannte Standards, durch die prinzipiell die gleichen Ziele verfolgt werden. Der Unterschied besteht darin, dass eine Norm konsensbasiert von allen Stakeholdern (Interessenvertretern) vereinbart werden muss, bevor sie veröffentlicht werden kann. Dabei muss die Norm verschiedene Bearbeitungsstufen durchlaufen, die meist durch eine öffentlich zugängliche Einspruchsfrist endet. Der ordnungsgemäße Ablauf der Normenerarbeitung obliegt einer anerkannten Organisation (z. B. DIN, ISO). Diese muss sicherstellen, dass der Prozess der Normenerstellung transparent und zugänglich ist und die Möglichkeit zur Mitgestaltung bietet. Im englischen Sprachraum spricht man von einem de-jure Standard. Dieser englische Begriff ist mit dem deutschen Begriff "Norm" gleichzusetzen. Bevor ein de-jure Standard veröffentlicht werden darf, muss diesem ein konsensbasiertes, transparentes Verfahren, welches durch mindestens eine nationale oder internationale Normungsorganisation sichergestellt wird, durchlaufen. Dem gegenüber stehen die sogenannten "de-facto standards", die nicht notwendigerweise durch eine nationale oder internationale Normungsorganisation erstellt werden müssen. Diese, im deutschen Sprachraum auch einfach nur als Standards oder Industrienorm bezeichnet, legen Vereinbarungen zwischen einigen wenigen Interessengruppen fest. Merkmale, Regeln und Leitlinien, die in diesen Standards bzw. Industrienormen vereinbart sind, müssen nicht den vorgeschriebenen Normungsprozess durchlaufen. Daher sind diese oft schneller verfügbar. Konsens zwischen allen Stakeholdern ist für Standards nicht erforderlich. Es handelt sich vielmehr um Vereinbarungen zwischen einer Gruppe, eines Industriezweigs, einer Branche oder einer Region. Beispiele für "de-facto standards" sind Bluetooth-Protokolle der Bluetooth SIG oder das IrDa-Protokoll der Infrared Data Association oder OPC UA durch die OPC Foundation. Grundsätzlich ist die Anwendung von Normen und Standards freiwillig, denn Normen sind keine Gesetze. Allerdings könnten Normen auch von Gesetzen zitiert bzw. referenziert werden, wodurch sie einen Gesetzescharakter verliehen bekommen oder Gesetze inhaltlich ausfüllen. Ein Beispiel hierfür sind die CEN-Normen zur Maschinensicherheit. Durch deren Listung im Amtsblatt der Europäischen Union entsteht eine Vermutungswirkung, wodurch der Anwender dieser Normen davon ausgehen kann, dass die Anforderungen der Maschinenrichtlinie erfüllt werden. Die Verbindlichkeit von Normen kann auch durch vertragliche Vereinbarungen bspw. zwischen Lieferanten/Kunde erreicht werden.


Internationale Strategie

Die Welthandelsorganisation (WTO, World Trade Organisation) hat einen Normenkodex verabschiedet, der die internationale Zusammenarbeit fördern und den Warenaustausch zwischen Nationen und Regionen vereinfachen soll. Dieser Normenkodex umfasst die nachstehenden Eckpunkte: • keine Bevorzugung heimischer Produkte • keine Handelshemmnisse durch nationale Normen • Übernahme relevanter internationaler Normen • Kohärenz des weltweiten Normenwerks und Vermeidung von Doppelarbeit • Veröffentlichung der Normungsprojekte • Öffentliches Einspruchsverfahren und faire Behandlung aller Kommentare. Durch diesen Kodex erfährt die internationale Normung (z. B. ISO-Normen) den Vorrang gegenüber nationalen (z. B. DIN-Normen) und regionalen (z. B. EN-Normen). Die WTO empfiehlt die internationalen Normen unverändert in nationale und regionale Normen zu übernehmen. In Europa wird dies beispielsweise mit der Wiener Vereinbarung oder dem Dresdner Abkommen umgesetzt. Der von der WTO formulierte Kodex wird auch von den meisten internationalen, regionalen und nationalen Normungsinstitutionen umgesetzt.

Nationale Normungsinstitute

Land Institut Land Institut
Argentinien IRAM Korea, Republik KATS
Belgien NBN Kroatien HZN
Brasilien ABNT Kuba NC
Bulgarien BDS Niederlande NEN
China SAC Österreich ASI
Dänemark DS Polen PKN
Deutschland DIN Portugal IPQ
Finnland SFS Rumänien ASRO
Frankreich AFNOR Russische Federation GOST R
Griechenland NQIS ELOT Schweden SIS
Großbritannien BSI Schweiz SNV
Hong Kong ITCHKSAR Slowakei UNMS SR
Indien BIS Spanien UNE
Indonesien BSN Thailand TISI
Iran ISIRI Tschechische Republik UNMZ
Irland NSAI Türkei TSE
Italien UNI Ukraine DSTU
Japan JISC Ungarn MSZT
Kanada SCC USA ANSI

In Deutschland wurde im Jahre 1975 ein Vertrag zwischen dem DIN e.V. und der Bundesrepublik Deutschland geschlossen. Die Kernaussage dieses Vertrages besteht darin, dass die BRD ausschließlich das DIN als für die Normung im deutschen Bundesgebiet zuständige Institution anerkennt. Des Weiteren wird dem DIN auch der Status als alleiniger deutscher Vertreter im Normungsgeschehen auf internationaler Ebene zugeschrieben. Zudem gilt es für das DIN, in seinen Normungsaktivitäten, dem öffentlichen Interesse die oberste Priorität einzuräumen. Im Gegensatz dazu, erklärt sich die Bundesregierung bereit, die Normungsprozesse des DIN in angemessenem Rahmen mit öffentlichen Mitteln zu fördern.

Für weitere Informationen siehe Originalvertrag vom 05. Juni 1975 Link.

  1. DIN 820-2:2012

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