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Der Vertrag:
Risiko oder ein sicherer Hafen?

Täglich werden tausende von Verträgen abgeschlossen – im unternehmerischen wie auch im privaten Bereich. Dabei ist den vertragschließenden Parteien häufig das damit verbundene Risiko nicht bekannt. Dies gilt zum Beispiel bei Liefer- und Leistungsverträgen insbesondere für die Seite des Auftragnehmers.

Findet auf den betreffenden Vertrag das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) Anwendung, muss jede der Vertragsparteien, die im Rahmen des abgeschlossenen Vertrags eine Pflichtverletzung begeht, für diese Pflichtverletzung einstehen, das heißt, einen eventuell hierauf zurückzuführenden, beim anderen Vertragspartner entstandenen Schaden ersetzen. Eine gesetzliche Begrenzung dieses Schadens der Höhe nach gibt es nicht. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom so genannten „Folgeschaden“.

Dieses gesetzliche Haftungsrisiko ist insbesondere im unternehmerischen Geschäftsverkehr von großer Bedeutung, da hier ein extrem hohes Risikopotenzial besteht: Verursacht ein – unter Umständen geringwertiger – Liefergegenstand beim Vertragspartner zum Beispiel den Stillstand einer gesamten Produktionsanlage, hat der Lieferant den daraus resultierenden Schaden in voller Höhe zu ersetzen. Gleiches gilt für Schäden, die durch eine verzögerte Lieferung oder Leistung beim Vertragspartner entstehen.

Ein Vertrag, abgeschlossen auf der Grundlage des BGB, birgt daher ein großes – unter Umständen sogar existenzbedrohendes – Risiko. Dementsprechend bedarf es in dem jeweiligen Vertrag einer entsprechenden, angemessenen Begrenzung dieser Haftung. Derartige Haftungsbegrenzungen befinden sich häufig in den Allgemeinen Liefer- und Leistungsbedingungen. Zwei Dinge gibt es zu beachten:

Zum einen muss die Haftungsbegrenzungsregelung so ausgestaltet sein, dass sie den Erfordernissen des deutschen Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) entspricht. Das deutsche AGB-Recht – und die damit verbundene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – stellen an eine wirksame Haftungsbegrenzungsklausel sehr hohe Anforderungen. Werden sie nicht erfüllt, ist die entsprechende Haftungsregelung insgesamt unwirksam und es gelten die gesetzlichen Vorschriften, also die unbegrenzte Haftung.

Zum anderen müssen die betreffenden Bedingungen auch Vertragsgrundlage werden. Dies scheitert häufig daran, dass der Vertragspartner seinerseits (auch) auf eigene Bedingungen verweist, die inhaltlich – insbesondere im Haftungsbereich – anders ausgestaltet sind. In derartigen Fällen der „battle of forms“ gilt keine der Bedingungen, sondern es gelten wiederum die gesetzlichen Vorschriften. Den sichersten Weg, zu einer wirksamen Haftungsbegrenzung zu kommen, stellt mithin eine Individualvereinbarung dar, also eine Haftungsregelung, die im Einzelnen durch Rede und Gegenrede besprochen wurde. Da solche Vereinbarungen in der Praxis häufig – allein aus Zeitgründen – nicht möglich sind, empfiehlt sich in vielen Fällen der Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit einer entsprechenden Haftungsbegrenzungsregelung.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum AGB-Recht unterscheidet kaum noch zwischen Verbraucherverträgen und Verträgen im unternehmerischen Geschäftsverkehr. Auf diese Weise finden die im AGB-Recht enthaltenen Grundsätze zum Schutz von Verbrauchern auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr Anwendung. Eine derartige Gleichsetzung zwischen Verbraucherverträgen und kaufmännischen Verträgen war aber von den „Vätern des AGB-Rechts“ nicht vorgesehen. Es sollte sehr wohl eine differenzierte Betrachtungsweise erfolgen.

Da in der Rechtsprechung keine Tendenzen erkennbar sind, diesen Gedanken – Differenzierung zwischen kaufmännischem und nicht kaufmännischem Geschäftsverkehr – Rechnung zu tragen, gründete sich eine Initiative zur Reform des AGB-Rechts, deren maßgeblicher Träger der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) sowie der Zentralverband Elektrotechnik– und Elektronikindustrie (ZVEI), zusammen mit Wirtschaftsanwälten, Rechtswissenschaftlern sowie Syndizi aus Unternehmen sind. Die „Initiative zur Fortentwicklung des AGB-Rechts“ hat sich zum Ziel gesetzt, im Sinn des ursprünglichen Gedankens des AGB-Rechts eine Liberalisierung AGB-rechtlicher Maßstäbe im unternehmerischen Geschäftsverkehr zu erreichen, ohne jedoch demjenigen, der schutzbedürftig ist, den AGB-Schutz nehmen zu wollen. Unternehmen müssen bei der AGB-rechtlichen Vertragsgestaltung flexiblere Möglichkeiten besitzen, ihre Verträge zu formulieren. Das gilt insbesondere für Regelungen, die den Haftungsbereich betreffen.

Die Initiative hat dem Bundesjustizministerium Vorschläge zur Änderung des AGB-Rechts im kaufmännischen Bereich unterbreitet und steht in ständigem Kontakt mit politischen Entscheidungsträgern. Das Thema ist inzwischen politisch fest auf der Tagesordnung und wird vom Bundesjustizministerium behandelt.

Soweit Unternehmen AGB benutzen – das ist der überwiegende Teil – sollten sie mit einer gewissen Regelmäßigkeit (etwa alle drei Jahre) einer juristischen Überprüfung unterzogen werden. Die Rechtsprechung zum AGB-Recht entwickelt sich ständig weiter und muss daher in AGB und Formularverträgen Berücksichtigung finden. Es nutzen die besten Allgemeinen Geschäftsbedingungen nichts, wenn sie inhaltlich nicht auf der Höhe der Zeit sind: Sie sind dann das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind.

Bedingungen auf dem aktuellen Stand der Rechtsprechung bieten Wirtschaftsverbände an, zum Beispiel VDMA, VDW oder ZVEI.

Titelbild: Dlugosch

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