Heinz-Jürgen Prokop

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Agile Entwicklungsmethode
und ganzheitliche Prozessbetrachtung

„Wir machen große Schritte in die digital vernetzte Welt, wir werden aber weiterhin ein Maschinenbauer bleiben“, betont Dr. Heinz-Jürgen Prokop, Geschäftsführer Entwicklung und Einkauf bei Trumpf Werkzeugmaschinen, im Gespräch mit Georg Dlugosch, dem Chefredakteur des IndustryArena eMagazines. Für das Zeitalter der vernetzten Welt hat Trumpf die Blechfertigung ein Stück weit neu erfunden. Lasermaschinen kümmern sich nun selbst um einen durchgängig automatisierten Produktionsprozess.

Die Trulaser Center 7030 von Trumpf zeigt ein faszinierendes Konzept. Brauchten Sie für die Entwicklung der neuen Maschine viel Mut?

Prokop: Die Eigentümerfamilie Leibinger hatte den Mut, sehr viel in dieses Projekt zu investieren. Es handelt sich um das bisher größte Maschinen-Entwicklungsprojekt bei Trumpf. Wir wussten lange nicht, ob wir damit Erfolg haben würden. Wichtig war, es in einer überschaubaren Zeit zu schaffen. Es war ein schon früher gestartetes Projekt, das seit einiger Zeit ruhte, weil eine zündende Idee fehlte. Wir haben uns dann selbst massiv unter Druck gesetzt, indem wir extreme Anforderungen formuliert und uns verpflichtet haben, innerhalb eines Jahres funktionsfähige Lösungen zu liefern.

Wie ging es weiter?

Prokop: Wir sind mit großer Begeisterung gestartet, erkannten aber schnell die enorme Komplexität, die mit herkömmlichen Methoden nicht zu bewältigen war. Just in dieser Zeit lernte ich einen Berater kennen, der Erfahrung mit agilen Methoden in der Mechatronik-Entwicklung hatte. Neun Tage später waren wir bereits im ersten Sprint. Es begann eine Zeit, in der sich die Mitarbeiter grundlegend neu ausrichten mussten.

Scrum unterteilt ein Projekt in kleine Häppchen, die fachübergreifend abgearbeitet werden. Wie sind Sie damit zurechtgekommen?

Prokop: Wir haben mit Zwei-Wochen-Sprints begonnen. Am Ende jedes Sprints präsentierte jeder Verantwortliche seine Ergebnisse dem gesamten Team. Das hat unterschiedliche Reaktionen ausgelöst wie: „Jetzt sieht ja jeder, was ich mache.“ Oder „Wenn alle mitdenken, ist es ja nicht mehr mein Ergebnis.“ Oder „Es fällt mir schwer, alle an meinen Problemen teilhaben zu lassen.“ Und: „Durch Planerei und Präsentationen verlieren wir zu viel Zeit.“ Anfangs wurde übersehen, dass ein jeder viel lernt, wenn er Lösungen aus allen Fachdisziplinen sieht, dass viel mehr Anregungen entstehen und weniger übersehen wird. Wichtig war auch die Erfahrung, dass man mitentscheiden kann, welche Aufgaben man übernimmt, dass das Team sieht, was man kann, dass es motiviert, im Team zu entscheiden und nicht auf das Okay eines Vorgesetzten warten zu müssen. Mit der Zeit entstanden sowohl eine große Überzeugung als auch eine gute Gruppendynamik. Viele sagen heute: „Ich möchte nie wieder anders arbeiten.“

Was war der Auslöser für dieses Projekt?

Prokop: Mit unserer Geschäftsplattform Axoom und unseren TruConnect-Lösungen machen wir große Schritte in die digital vernetzte Welt. Es nützt jedoch wenig, wenn Daten fehlerfrei durch den Auftragsprozess laufen, das Material aber nicht folgt. Wenn zum Beispiel ein Mitarbeiter ein Teil einem falschen Auftrag zuordnet, und es anschließend nicht mehr auffindbar ist. Wir wollten eine Maschine, die ein zuverlässiger Teilelieferant für die Folgeprozesse wird. Mit einem Konzept, das alle Nachteile einer heutigen Palettenmaschine beseitigt, wie: Kollisionen mit gekippten Teilen, verkratzte Bleche, Nacharbeiten durch Microjoints und vieles mehr. Daraus ist der erste Vollautomat für das Laserschneiden entstanden, der sich von der Zeichnung bis zum sortierten und gestapelten Teil um alles kümmert. Blechbearbeiter warten seit Jahrzehnten auf diesen Schritt: eine hochpräzise, weitgehend autonome Maschine, die das mühevolle Absortieren von Hand eliminiert.

Welche weiteren Ziele verfolgen Sie damit?

Prokop: Wir wollen zeigen, dass die Produktivität des Gesamtprozesses im Vordergrund steht. Hier schlummern Potenziale von 30 Prozent und mehr. Selbstverständlich arbeiten wir auch weiter an der Produktivität und Qualität der Bearbeitungstechnologien. Hier sind wir seit jeher Technologieführer und wollen es bleiben. Prozessstörungen lassen sich jedoch nicht mehr mit höherer Laserleistung und höheren Schneidgeschwindigkeiten kompensieren. Um die vor- und nachgelagerten Prozesse haben sich die Maschinenbauer bisher nicht umfassend genug gekümmert. Das holen wir jetzt als Erste und sehr intensiv nach. Damit helfen wir unseren Kunden, im Wettbewerb die Nase vorn zu behalten.

Welche Hürden mussten Sie überwinden?

Prokop: Wir mussten in sehr kurzer Zeit Aufgaben lösen, die seit 30 Jahren ungelöst waren. In einer Recherche haben wir 672 Patentanmeldungen zu Lösungen für die Blech-Auflage in Laserflachbettmaschinen gefunden, die uns allesamt nicht überzeugten. Wenn man unsere TruLaser Center 7030 heute im Betrieb sieht, erscheint die Entnahme der Teile aus dem Restgitter mit Stiften, die von unten drücken, und Greifern, die das Teil mit selbstaktivierenden Saugern entgegennehmen, logisch und einfach. Dahinter steckt aber eine komplexe Abfolge von Einzelschritten, die für einen prozesssicheren Betrieb notwendig sind. Ähnliches gilt für das Ausschleusen der Teile nach unten durch das SmartGate. Wir mussten viele intelligente Algorithmen entwickeln, die menschliches Handeln ersetzen. Man versteht dann plötzlich, wie kreativ wir Menschen sind, etwas zu schaffen, das vielleicht im ersten Ansatz nicht sofort funktioniert. Und dann weiter nachzudenken, zu verbessern, es nochmal zu probieren… Künstliche Intelligenz kann diese Kreativität noch längst nicht erzeugen.

Was bringt die Lösung dem Kunden?

Prokop: Wir sind unserer Vision, eine Laserschneidmaschine zu entwickeln, die wie ein Drucker im Büro funktioniert, ein großes Stück näher gekommen. Wenn die CAD-Daten für ein Teil vorliegen, geschieht alles automatisch von der Programmierung bis zum Sortieren und Stapeln der geschnittenen Teile. Und das auf der Grundfläche einer nicht automatisierten Flachbettmaschine! Menschliche Fehler und menschenunwürdige Tätigkeiten werden vermieden. So sind wir einem automatisierten Materialfluss ein großes Stück näher gekommen. In der Synchronisation von virtueller und realer Welt liegt für uns die wahre Bedeutung von Industrie 4.0.

Titelbild: Trumpf

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Dr. Heinz-Jürgen Prokop

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