Martin Plutz

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Industrie 4.0

Technologie, hol mich hier raus!

Mit einem Gedankenexperiment startete der kürzlich eröffnete Escape Room am Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen. Ziel ist es, den Teilnehmern auf spielerische Weise die Möglichkeiten der Digitalisierung auf dem Shopfloor eines kleineren oder mittleren Unternehmens (KMU) näher zu bringen und aktuelle Forschungsergebnisse zu kommunizieren. Eine simulierte manuelle Fertigung spannt den Handlungsrahmen auf.

„Stellen Sie sich vor, Sie seien Leiter eines Werks, dessen gesamte Belegschaft nach einem Betriebsausflug aufgrund einer Vollsperrung plötzlich ausfällt. Ihre Kunden erwarten jedoch pünktliche Lieferungen in gewohnt hoher Qualität. Um die Kundenerwartungen zu erfüllen, wenden Sie sich an ein Team kluger Köpfe, das so lange in der Fertigung eingesperrt bleibt, bis die Produktion wieder läuft und alle Probleme gelöst sind. Arbeitsrechtlich wäre dieses Vorgehen höchst bedenklich, und es soll hier selbstverständlich nur als Gedankenexperiment dienen.“

Mit diesem Gedankenexperiment startete der Escape Room. In dem 20 Quadratmeter großen Raum sind verschiedene Arbeitsstationen aufgebaut, an denen von der Kommissionierung über Bohr- und Laserbearbeitung von Beispielbauteilen bis hin zur Montage eine vollständige Prozesskette abgebildet ist, so wie sie auch in einem realen produzierenden Unternehmen vorhanden sein könnte.

Blick auf die Arbeitsstationen im Escape Room. Fotos: Oculavis

Ein Team von maximal fünf Personen hat nach kurzer Einführung in das Gedankenexperiment 30 Minuten Zeit, um einen Kundenauftrag zu erfüllen. Als Unterstützung liegen an den einzelnen Arbeitsstationen verschiedene neue Technologien bereit, die von den Teilnehmern eingesetzt werden können, aber nicht müssen. Nur durch den gezielten Einsatz dieser digitalen Unterstützungsmittel wie Tablets und Smart Glasses kann es dem Team gelingen, sich in der vorgegebenen Zeit aus dem Raum zu befreien.

Wie sehen Fehlerbehebungsprozesse aus?

Wenn heutzutage im prototypischen mittelständischen Unternehmen Probleme auftreten, ist die Reaktionsfähigkeit häufig aufgrund verschiedener Ursachen wie fehlender Entscheidungskompetenz und unzureichendes Wissensmanagement stark eingeschränkt. Probleme werden manuell und zum Teil sogar analog dokumentiert, sodass eine schnelle und nachhaltige Abstellung der Fehler nicht möglich ist.

Die Folgen können mangelhafte Produkte, stillstehende Maschinen und verzögerte Lieferzeiten sein. Den Unternehmen drohen damit ein Imageverlust und finanzielle Einbußen. Gleichzeitig wird von den Mitarbeitern eine hohe Frustrationstoleranz abverlangt, da die erfolgreiche Fortsetzung ihrer Arbeitstätigkeiten nicht im direkten Einflussbereich liegt. Wenn heute Probleme an Bauteilen auftreten, werden zum einen Sofortmaßnahmen wie Nacharbeiten eingeleitet und zum anderen wird nach der Ursache gesucht, um eine nachhaltige Fehlerabstellung zu erreichen.

Die Fehlerdokumentation ist meist unvollständig, mehrdeutig und unstrukturiert, sodass kein zugängliches Wissen über Fehler und deren Ursachen aufgebaut werden kann. Im schlechtesten Fall erfolgt die Dokumentation analog und ist nicht maschinenlesbar. Wenn Unternehmen ihre Fehlerdaten digital erfassen, strukturieren und mittels Algorithmen analysieren würden, könnten Mitarbeiter auf Basis dieser Informationen schnellere und bessere Entscheidungen treffen. Sollte ein neues unbekanntes Problem auftreten oder Zweifel in Bezug auf die Problemlösung bestehen, könnte mittels neuer Technologien wie Smart Glasses ein Experte hinzugezogen werden.

Im Vergleich zum heutigen, noch stark analog geprägten Arbeitsumfeld könnten Fehlerabstellprozesse deutlich effizienter erfolgen und somit langen Qualitätsregelkreisen entgegenwirken. Der Escape Room veranschaulicht, wie durch Hinzuziehen neuer Technologien Mitarbeiter in der Bewältigung ihrer Arbeitsprozesse unterstützt werden können, ohne dass ein hochmoderner und investitionsintensiver Fertigungsbetrieb zur Verfügung stehen muss.

Lösungsansätze

Der Escape Room simuliert den prototypischen Auszug einer manuellen Fertigung, in dem die teilnehmenden Teams mit innovativen digitalen Unterstützungsmitteln und entsprechender Software neue Werkzeuge erhalten, um Probleme in der Fertigung auf eine neue und ungewöhnliche Art zu lösen. Bei der Kommissionierung von Einzelteilen der zu fertigenden Produkte (Schlüsselanhänger oder Fotoständer) kann das Team zum Beispiel auf eine Tablet-Anwendung zurückgreifen, die mit Hilfe von Augmented Reality die korrekten Lagerpositionen über dem entsprechenden Lagerfach visualisiert.

So werden mögliche Fehlerquellen durch falsch entnommene Bauteile von vorneherein minimiert. Im späteren Verlauf der simulierten Prozesskette kommt es zu einer Störung der Laseranlage, mit der Produktinformationen auf die Bauteile aufgebracht werden. Während heutzutage in vielen deutschen Produktionsstätten ein Instandhaltungsteam ausrücken würde, kann der Weg zur Störungsbehebung im Escape Room abgekürzt werden.

Mit Hilfe einer Datenbrille und der Remote-Support-Lösung Oculavis Share des Aachener Technologiepartners Oculavis GmbH kann ein Experte virtuell in die Szenerie hinzugeschaltet werden, um die akute Störung schnell zu beheben und die Teilnehmer des Escape Rooms somit einen wichtigen Schritt näher zur Lösung des Rätsels zu bringen.

Kommissionieren mit freien Händen

Gerade die Möglichkeit, mit Augmented Reality Kommissionierungsvorgänge in der Realität zu unterstützen, ist heute aufgrund technologischer Restriktionen noch eingeschränkt. Tablets sind zwar technologisch reif, das gezeigte Szenario umzusetzen, jedoch sind dabei die Hände nicht frei, was zu Effizienzverlusten führt.

Auch hier ist es naheliegend, eine Datenbrille einzusetzen, die das Kommissionieren mit freien Händen ermöglicht. Die derzeit am Markt verfügbaren Geräte sind jedoch entweder zu schwer oder zu unkomfortabel, um Kommissionierungstätigkeiten über einen längeren Zeitraum bis hin zu einer ganzen Schicht zu unterstützen. Oder die Geräte sind nicht leistungsstark genug, um die am Lagerfach angebrachten Marker prozesssicher zu erkennen.

Hinzu kommt, dass Unternehmen ihre Lagersysteme mit eben diesen Markern ausrüsten müssten, um eine auf Augmented Reality basierende Teilekommissionierung überhaupt zu ermöglichen. Zeigt man die Lagerpositionen hingegen nur in Form von statischen Screens auf einer Datenbrille an, wird das Gerät letztlich auf ein reines Anzeigegerät reduziert. Dass bei täglicher Nutzung durch Lagermitarbeitende noch eine menschliche Hürde in Form einer zu schaffenden Technologieakzeptanz hinzukommt, ist ein weiterer nicht zu unterschätzender Aspekt beim Einsatz von Datenbrillen. Die spielerische Annäherung an neue Technologien durch den Escape Room ist für diese Herausforderung ein innovativer und vielversprechender Ansatz. Oculavis fokussiert aufgrund der Vielzahl praktischer Herausforderungen im Kommissionierungskontext insbesondere das Thema Remote Support mit Datenbrillen und Augmented Reality. Hier können auch deutlich schwerere und damit einhergehend meistens leistungsfähigere Geräte zum Einsatz kommen, die nicht den ganzen Tag, sondern für die Dauer der Lösung eines akuten Problems getragen werden.

Themen wie eine relativ kurze Akkulaufzeit spielen dabei meist eine untergeordnete Rolle, da Störungen an einer Anlage so schnell wie möglich behoben werden wollen. Aber viel wichtiger sind die dabei erzielbaren wirtschaftlichen Effekte für Unternehmen. Durch den Einsatz von Oculavis Share können Ausfallzeiten von Maschinen und Anlagen stark reduziert und Reisekosten von Servicetechnikern gesenkt werden.

Darüber hinaus werden insbesondere deutsche Maschinen- und Anlagenbauer dazu befähigt, innovative digitale Geschäftsmodelle in Kombination mit ihren physischen Produkten anzubieten. Eine weltweite virtuelle Serviceorganisation und sehr schnelle Reaktionszeiten sind die Möglichkeiten, die sich durch den Remote Support insbesondere für den produzierenden Mittelstand bieten, der oftmals lokal produziert und global operiert.

Der Escape Room und die eingesetzten Technologien werden kontinuierlich auf Basis neuer Ergebnisse von laufenden und abgeschlossenen Forschungsprojekten aktualisiert. Interessierte Unternehmen können den Escape Room als Teamevent besuchen, um sich Themen der Digitalisierung zu nähern.

Titelbild: Oculavis

Kontakt | Autoren

Martin Plutz

Managing Director
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Aachen
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Dr. Ina Heine

Oberingenieurin des Werkzeugmaschinenlabors

Prof. Dr. Robert Schmitt

Direktor des Werkzeugmaschinenlabors
RWTH Aachen

www.escroom.wzl.rwth-aachen.de