Rüdiger Fritz

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Die Fertigung muss
flexibler werden

Werkzeugmaschinen und Arbeitsstationen sollen künftig untereinander kommunizieren. Dezentral und dynamisch sollen sie werden, wie Rüdiger Fritz, Repräsentant der OPC Foundation und Director Product Management SAP Plant Connectivity im Bereich Digital Manufacturing von SAP, die neuen Anforderungen an eine Montage beschreibt. Im Gespräch mit Georg Dlugosch, Chefredakteur des IndustryArena eMagazines, erläutert Fritz die Notwendigkeit, mit Hilfe von OPC UA und umati die Produktionsprozesse flexibler und effizienter zu machen.

Was ist das wichtigste bei der Verbindung von Maschinen mit Maschinen und Menschen?

Fritz: Da gibt es viele Dimensionen. Eine der wichtigsten Aufgaben ist ein politischer Aspekt, um die Maschinenanbindung zu bewerkstelligen. In diesem Zusammenhang bedeutet politisch, dass in den Unternehmen viele unterschiedliche Sichtweisen herrschen. Beispielsweise sehen einige in der Maschinenanbindung im Sinne von Industrie 4.0 lediglich eine verbesserte Betriebsdatenerfassung. Das muss sicherlich auch geschehen, ist jedoch nur ein Teil der Aufgabe.

Was muss hinzukommen?

Fritz: Aus Sicht der klassischen Automatisierungspyramide meint Maschinenanbindung, dass man Zustandsdaten erfassen oder Meldungen von Sensoren abgreifen kann. Dabei ist man dann schnell beim Condition Monitoring. Damit ist das Potenzial noch längst nicht ausgeschöpft. Deshalb liegt die Hauptantwort aus meiner Sicht gar nicht so sehr im technischen Bereich, sondern in den unterschiedlichen Unternehmensebenen, in den klassischen Bereichsfürstentümern. Dort gibt es eine Spannung zwischen der Informationstechnik für das Büro und für die Produktion.

SAP verfolgt das auf OPC UA basierende Konzept der Open Integrated Factory schon seit einiger Zeit und zeigte dies mit einem umfassenden, kontinuierlich ausgebauten Partnerprojekt während der Hannover Messe. Die Generation 2018 ist auch im Kundeninformationsbereich auf dem SAP Campus in Walldorf als funktionsfähige Produktionsdemonstration zu sehen. Zum Einsatz kommt dabei ein Spektrum an Steuerungs- und Antriebstechnik von Technologiepartner Beckhoff, das von EtherCAT-Klemmen über Embedded-PCs und Control Panel bis hin zu XTS und TwinCAT 3 OPC UA reicht.

Worin liegen die Schwierigkeiten?

Fritz: Die größte Herausforderung ist nach wie vor, dass die Konvergenz von Informationstechnik (IT) und Betriebstechnik (OT) an vielen Stellen noch an menschlicher Kommunikation scheitert. Der eine möchte Informationen nicht offenlegen, der andere fühlt sich überwacht. Demnach sind eher die menschlichen Beziehungen das Problem und nicht die technischen Möglichkeiten.

Wie sieht es mit den technischen Fragen aus?

Fritz: Das hängt von den Anlagen selbst ab. Sind es beispielsweise bestehende Anlagen, also Brownfield, oder neue, die mit der OPC-Unified-Architektur ausgestattet sind. Im Moment haben wir noch ein gewisses Babylon. Wahrscheinlich wird in der Werkshalle irgendwann alles eine einheitliche Sprache sprechen. Die Hoffnung besteht natürlich, dass OPC UA immer mehr zum Business Englisch der Maschinen wird. Das wird funktionieren aber es ist noch ein langer Weg. Auch hierbei ist es weniger die technische als die menschliche Frage.

Woran hapert die Umsetzung?

Fritz: Einige sagen, es ist alles viel zu kompliziert. Kann ich nicht einfach ein paar Message-Queuing-Telemetry-Transport-Telegramme durch die Gegend feuern? Allerdings taucht dann schnell wieder die Frage danach auf, was man erreichen möchte. Für Betriebsdatenerfassung sind solche MQTT-Telegramme vielleicht ausreichend, aber der Inhalt ist nicht selten nur anwendungsbezogen definiert und somit doch wieder proprietär.

Was sind die Vorteile von OPC UA?

Fritz: Die Vorteile von OPC UA sind vielschichtig. Zum einen ist da die Chance, dass jede Maschine irgendwann die gleiche Sprache spricht, zum anderen, dass auch jeder die Semantik versteht und die Informationsmodelle so harmonieren, dass jede Werkzeugmaschine der umati Companion Specification folgt.

Rüdiger Fritz, Repräsentant der OPC Foundation und Director Product Management SAP Plant Connectivity im Bereich Digital Manufacturing von SAP. Foto: Beckhoff

Ist dann alles geklärt?

Fritz: Wir wissen dann immerhin gleich, worüber wir reden. Aus Sicht einer SAP-Software ist der Informationsgehalt einer Werkzeugmaschine zumindest semantisch gleichartig. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, also alle Maschinen die gleiche Sprache sprechen, und ein Unternehmen in seiner Werkshalle zusätzlich zur Betriebsdatenerfassung auch eine serviceorientierte Sicht einnimmt, also die Maschine als Dienstleister sieht, dann kommen wir in einen Bereich, in dem sich viel Potenzial heben lässt.

Was ist das übergeordnete Ziel?

Fritz: Das über allem stehende Ziel für unsere Industrienation und die produzierenden Unternehmen muss lauten, die Produktion flexibler und dynamischer zu machen. Natürlich nach wie vor unter der Prämisse höchst kosteneffizient zu sein. Produzierende Unternehmen müssen sich heute mehr denn je fragen, wie gut sie mit ihren gegenwärtigen Produktionsanlagen auf schnell ändernde Marktanforderungen reagieren können.

Welche Gefahren gibt es?

Fritz: Die Gefahr besteht darin, dass man zwar eine hocheffiziente Fabrik baut, die aber unflexibel ist. Zum Beispiel mit einer fest eingebundenen Maschine, die nur für einen bestimmten Zweck gut ist. Wenn sich der Markt ändert und dieses eine Teil nicht mehr gefragt ist, dann muss eine große Änderung erfolgen. Aus meiner Sicht sollte Industrie 4.0 darauf ausgelegt sein, eine höhere Flexibilität zu erreichen.

Was könnte der nächste Schritt sein?

Fritz: Ich hoffe, in den nächsten Monaten mit den umati-Spezialisten die Spezifikation so zu ergänzen, dass sie mit beiden Sichtweisen Einbettung und Kommunikation mit der Maschine für flexible Produktionskonzepte funktioniert. Der Stand heute ist noch stark auf die Maschinenzustandsbeschreibung ausgerichtet. Das ist schon eine enorme Hilfe, aber erstrebenswert ist es auch, Entscheidungen über Fertigungsprozesse auf Basis des tatsächlichen Status Quo zu treffen. Darin steckt viel Potenzial. Wenn ich den Status der Maschinen kenne und beispielsweise auch die Details der Werkzeuge, dann hilft das bei Entscheidungen. Ergänzend zum groben Plan eines SAP-Produktionsplanungsmoduls wäre es jetzt wichtig, mehr in die Ad-hoc-Entscheidungen zu kommen. Bei Schwierigkeiten im Ablauf die ERP-Planung wieder anzuwerfen, kann zu einem nervösen Produktionsplan führen. Das bedeutet, wir arbeiten an Lösungen, die unterhalb der Produktionsplanung die Ad-hoc-Entscheidungen unterstützt und eventuell sogar automatisiert.

Dann lautet das übergeordnete Ziel also, durch Standardisierung mehr Flexibilität zu erreichen?

Fritz: Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Flexibilität verhindert wird, wenn die Kommunikation zwischen Systemen fest verdrahtet ist. Standardisierung bewirkt hier vor allem, dass Systeme schneller und einfacher miteinander verknüpft werden können.

OPC UA und umati also die Voraussetzungen?

Fritz: Genau, weil dann alle quasi Englisch sprechen und sofort anfangen können zu arbeiten. Hinzukommt die Voraussicht der Urväter von OPC UA, dass man einerseits aus der Maschine reine Daten erhält und sie anderseits auch komplexer modellieren kann. Oder ich biete Komfortfunktionen an, also OPC-Methoden wie der Auftrag, die Kamera soll ein Bild machen und die Farbe prüfen. Die Kraft der Methodenaufrufe einer dienstleistungsorientierten Architektur ist sehr wichtig für die Konvergenz von IT & OT.

Wo sind die Grenzen der Dienstleistungssicht?

Fritz: Die Idee der Dienstleistungsorientierung hat klare Grenzen. Beispielsweise ist die Modellierung von parallelen Sequenzen, also ein Roboter, der sich synchron zum Förderband bewegt, nur innerhalb der SPS selbst möglich, mit Taktzyklen von Mikrosekunden.

Was ist aus ihrer Sicht besonders wichtig?

Fritz: Eine Herausforderung ist die fehlende Anbindung von Altanlagen. Es gibt bereits gute Lösungen, um die alten Maschinen aus dem Bestand anzubinden. Darüber hinaus ist es auch noch eine wichtige Aufgabe, politische Mauern einzureißen, um auch Bestandsanlagen aus der Dienstleistersicht zu betrachten und zu nutzen.

Titelbild: Beckhoff

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