Georg Dlugosch

IndustryArena eMagazine

Kontaktdaten

Aktuelles

3D-Drucken:
Sachen selber machen

Die Modewelt steht kopf: Auf den Laufstegen der Fashion-Industrie feiern Kleider Triumphe, die nicht geschneidert, sondern gedruckt sind. Die Waffennarren frohlocken über Pistolen aus dem Internet zum Selbermachen. Architekten nutzen dreidimensionale Modelle, um ihre Ideen zu zeigen. Und die Industrie? Sie wundert sich über den Rummel um alte Hüte.

Sachen selber machen heißt das Stichwort, das überall im Gespräch ist. Freiheit und Unabhängigkeit scheinen auf, wenn das Gespräch auf 3D-Drucken kommt. Sie nennen sich die „Makers“ – Macher, die nichts schrecken kann. Weder fürchterliche CAD-Programme noch unkalibrierte Drucker oder eine schwierige Materialversorgung: Jetzt wird erst einmal alles gedruckt! Das Porträtfoto als 3D-Abbild? Größte Freude scheint die Welt daran zu finden, realitätsgetreue 3D-Modelle von Personen auszudrucken. Einscannen, in ein CAD-Modell umrechnen lassen und drucken.

Wenn Schuhe bei einer weitgehend von Männern dominierten Fachmesse den ersten Preis holen, dann rückt der Eindruck einer Revolution näher. Bei der Rapid-Tech in Erfurt ging der „Award“ an eine Designerin, die mit Schuhen die Jury überzeugte. „MINE 3D-gedruckten Schuhe“ nannte Elena Gerber ihre Arbeit, die so unwiderstehlich sind, dass sie dafür den Cube, einen 3D-Printer der 3D-Systems GmbH, erhielt. Viele Modestücke sehen zwar noch eher nach einer Rüstung aus, aber die Vielfalt der Möglichkeiten lässt die Designer jubeln.

Foto: Dlugosch

Was bringt plötzlich eine ungeheure Dynamik in diese Sparte, die sich im industriellen Einsatz schon bewährt? 3D-Druck ist zwar eine junge Technologie, aber schon seit zwei Jahrzehnten im Einsatz. Damit lässt sich auch schon erahnen, was den Markt umwälzt: Das Ende der ersten Patente erlaubt kleinen Unternehmern, in den Markt einzusteigen. Eines dieser Startups ist Makerbot Industries LLC, Brooklyn/New York. Das junge Unternehmen ist immerhin so interessant geworden, dass es bei Stratasys auf der Einkaufsliste steht, nachdem vor kurzem Objet übernommen wurde.

Um den Bau eines Druckers zu vereinfachen, entwickelte Makerbot vor fünf Jahren einen Bausatz und bediente sich einer Community, die viel Liebe und Engagement in die Bewegung Open Source einbringt – und entwickelte mit diesen Zutaten den eigenen ersten 3D-Drucker, Cupcake CNC genannt. Anfang 2013 kam der Replicator auf den Markt. Dem Wohlers-Report 2012 zufolge hatte das Unternehmen 21,6 Prozent Marktanteil an den 2011 verkauften 3D-Druckern. Mehr als 13.000 Drucker sollen im Einsatz sein.

Und jetzt jubeln die Anwender des 3D-Drucks. Sie erhalten günstige Einsteigermodelle, mit denen sie selbst experimentieren können. Hatte die dritte Version der Makerbot-Drucker noch ein Holzgehäuse, so ist daraus inzwischen ein stabiler Metallrahmen geworden. Dabei wird die Erinnerung wach an den ersten Bausatz von Apple, der gerne in ein Holzgehäuse eingesetzt wurde, bevor der Apple 2 folgte, praktisch der Start des Markts für Personal Computer.

Im Mittelpunkt steht nicht ein Produkt, sondern die Open-Hardware-Bewegung. Die Drucker von Makerbot fußen auf dem RepRap-Projekt. Die Initiative hat mit dem Ziel, 3D-Drucken und Selbstbaudrucker zu unterstützen, inzwischen weltweit Fuß gefasst. Der kurze Name steht für Replicating Rapid Prototyper, sich selbst reproduzierende Maschinen – das klingt nach dem Proto-Stadium für Andreas Eschbachs Roman „Herr aller Dinge“.

Foto: Dlugosch

In Deutschland ist die Community unter der Bezeichnung „German RepRap GmbH“ mit Sitz in Feldkirchen entstanden. Bastler, Schulen und Hochschulen sowie Industrieunternehmen zählen zu den Kunden, die kostengünstiges und professionelles 3D-Drucken benötigen. Einen Kristallisationspunkt hat die Bewegung in Erfurt gefunden. Parallel zur zehnten Fachmesse für Prototyping, der Rapid-Tech, zeigte die junge 3D-Druck-Szene in Erfurt ihre Dynamik bei der neuen Fachmesse FabCon. Unter das weitgehend junge Publikum mischten sich etliche Geschäftsleute aus Handel und Industrie. Die Unbekümmertheit der jungen Bastlerszene traf auf großes Interesse aus allen Altersschichten. Selbst unangemessene Fragen wurden keineswegs abgetan. Als eine ältere Dame nach einem Handbuch für den präsentierten Drucker fragte, erhielt sie nach einem kurzen Moment des Überlegens die ernsthafte Zusage, dass alle Anfragen per E-Mail beantwortet werden.

Voraussagen der Marktforschungsinstitute sind sich darin einig, dass der 3D-Druck einen großen Einfluss auf die künftige Form der Fertigung ausüben wird. Der Automobilindustrie wird ein besonderes Interesse an dieser Fertigungsweise nachgesagt, da sie die Ersatzteilbeschaffung revolutionieren kann.

Das Thema Drucken von Waffen verschaffte der Szene kurz einen ungewollten Sensationswert. Dieser Teil gehört zur dunklen Seite. Aber die strahlende Seite verheißt viele neue Freiheiten. Die Digitalisierung ist bereits Alltag, wie das allgegenwärtige Stichwort Industrie 4.0 während der Hannover-Messe bewies. Jetzt gilt es, daraus die richtigen Lehren zu ziehen. Denn 3D-Drucken ist im industriellen Bereich schon lange keine Neuigkeit mehr: Ob man Metallpulver (Selective Laser Melting) oder Kunststoffe (Fused Deposition Modeling) verwendet, die Verfahren haben längst industrielle Reife erlangt. Vom anfänglichen Ziel der Herstellung von Prototypen (Rapid Prototyping) hat sich das Verfahren zum additiven Manufacturing entwickelt, auch generative Fertigung genannt.

Mit Sicherheit wird die neue 3D-Druck-Technologie einige Geschäftsmodelle verändern. Und der längst etablierte Bereich, der mit der schnellen Herstellung von Prototypen (Rapid Prototyping) begann und jetzt meist additives Manufacturing oder generative Fertigung genannt wird, trägt seinen gewichtigen Teil dazu bei.

Kontakt

Georg Dlugosch

Chefredakteur
IndustryArena eMagazine
Oberndorf am Neckar
Tel. +49 7423 8499477
E-Mail senden

www.dlugosch.org