Ingo M. Rübenach

UL International Germany

Kontaktdaten

Industrie 4.0

Industrie 4.0 –
die ungeklärte Revolution

Die Zahl im Begriff Industrie 4.0 steht bekanntlich für den Anspruch, dass es sich dabei um nichts Geringeres als die vierte industrielle Revolution handele. Betrachtet man all die Felder, auf denen die neuen Technologien und Geschäftsmodelle, die mit Industrie 4.0 verbunden sind, für tiefgreifende Veränderungen sorgen werden, ist es wirklich nicht zu hoch gegriffen, wenn man von revolutionären Umwälzungen spricht, die uns bevorstehen. Der Begriff „Revolution“ weist allerdings auch schon auf eine entscheidende Herausforderung hin, der sich alle Beteiligten zu stellen haben, seien es Wirtschaftsunternehmen, Kunden, Politik und Gesetzgebung, Regulations- und Normierungsbehörden oder Zertifizierungsdienstleister wie die UL international Germany GmbH (UL): Zu Beginn jeder Revolution ist absehbar, dass die alte Ordnung verschwindet. Wie jedoch die neue am Ende konkret aussehen wird – das weiß noch niemand.

Ob man es lieber Industrial Internet of Things (IoT), Smart Manufacturing oder – wie vor allem im deutschsprachigen Raum – Industrie 4.0 nennt: Die Digitalisierung von Produktionsprozessen und Produkten ist in der Tat eine revolutionäre Umwälzung. Fertigungsanlagen entstehen aus cyber-physischen Systemen, die umfassend miteinander vernetzt sind. Zugleich wird ein ebenfalls wachsendes Internet of Things – die Vernetzung von immer mehr Produkten – starken Einfluss auf die Geschäftsmodelle in verschiedensten Branchen haben.

Während es im Jahr 2010 rund fünf Milliarden per Internet vernetzte Menschen gab, werden bis 2020 rund 50 Milliarden vernetzte Dinge hinzukommen. Der Handel ist von der umfassenden Digitalisierung ebenso betroffen wie der Finanzsektor oder Branchen wie Automotive, Hightech und Energy.

In vielen Branchen verlieren klassische Geschäftsmodelle mehr und mehr ihre Daseinsberechtigung – was sie zunehmend angreifbar macht. Hinzu kommt, dass die verschiedenen Entwicklungen von der Smart Factory über Connected Car, Connected Home und Smart Metering bis hin zu Smart Watches und anderen Wearables ganz neue Ansprüche an die Sicherheit stellen. Für Hersteller und Anbieter wird Sicherheit ein Kernbestandteil des Umsetzungsprozesses von Industrie 4.0.

Foto: UL

Hochindividuelle Produkte

Produktionsabläufe werden in einer Welt des Smart Manufacturing, in der Smart Factory der Zukunft, andere sein. Unter anderem verabschiedet sich die Fertigung in der Smart Factory vom alten industriellen Paradigma der Standardisierung. Die Automobilbranche erlaubt bereits einen Ausblick auf den Trend: Längst gibt es nicht mehr für jeden Kunden denselben schwarzen „Ford Model T“, sondern ein hochindividuell konfiguriertes Fahrzeug.

Im Industrie-4.0-Zeitalter ist es mit der sprichwörtlichen Gleichförmigkeit von Industrieprodukten endgültig vorbei. Gerade die modernen Technologien des Additive Manufacturing – in der deutschen Öffentlichkeit als 3D-Druck geläufig – versprechen die Möglichkeit einer nahezu unbegrenzten Individualisierung: mit einer Chargengröße von 1.

Dies hat auch Auswirkungen auf das Kerngeschäft von Sicherheits- und Zertifizierungsunternehmen wie UL. Vor mehr als 120 Jahren in den USA als Underwriters Laboratories gegründet, hat UL seit jeher die Entwicklung von Normen und innovativen Sicherheitslösungen für den Schutz der Lebens- und Arbeitswelt begleitet. Wenn heute etwa ein Ladegerät verkauft werden soll, braucht es dazu, beispielsweise für den amerikanischen Markt, eine Zulassung gemäß den bestehenden Normen. Solch ein Zertifizierungsvorgang, also die Überprüfung der Konformität mit der relevanten Sicherheitsnorm, ist einfach durchführbar, solange es von dem Ladegerät einen Prototypen oder eine Vorserie gibt.

Wenn die Losgröße von Produkten jedoch auf 1 schrumpft, stehen interne Qualitätssicherung wie externe Zertifizierung vor einer völlig neuen Herausforderung – eine, die nur in internationalem Maßstab zu lösen ist. Für UL stellt die Beschäftigung mit den Sicherheitsfragen rund um Industrie 4.0 eine konsequente Fortführung jener „Safety Mission“ dar, die das Unternehmen seit seiner Gründung verfolgt. Es ist allerdings absehbar, dass sich durch Industrie 4.0 auch das Kerngeschäft der Zertifizierungsunternehmen deutlich verändern wird.

Foto: UL

Wer verantwortet den 3D-Druck?

Noch überwiegt die Zahl der unbeantworteten Fragen. Derzeit ist beispielsweise weder geklärt, wer in einem Additive-Manufacturing-Prozess für Sicherheit sorgen muss, noch wer eine rechtliche Gewährleistungspflicht für das Produkt hat: Ist es der Hersteller des 3D-Druckers, der Lieferant des Rohmaterials oder der Anwender des 3D-Druckers?

Eine der größten Herausforderungen für die Qualitätssicherung und Zertifizierung in der additiven Fertigung ist es, geeignete Standards zu schaffen: für die Materialien, die Prozesse und die Produkte.

Der erste Schritt in der Qualitätssicherung für ein additiv gefertigtes Produkt besteht darin, bereits die Rohmaterialien zu prüfen und zu charakterisieren. 3D-Druck mit Metallen beispielsweise findet im Wesentlichen mit einem Metallpulver als Rohmaterial statt – schon dessen Eigenschaften spielen für die Qualität des Endprodukts eine wesentliche Rolle: sei es die chemische Zusammensetzung des Pulvers, die Größenverteilung der Partikel, die Fließfähigkeit oder die Temperatur. Auch die Dichte des Pulverrohmaterials hat einen wichtigen Einfluss auf die Porosität des fertigen Produkts. Zudem sind prozessbegleitende Prüfungen notwendig, damit der eigentliche Fertigungsprozess innerhalb der erforderlichen Toleranzbereiche stattfindet. Ebenso sind natürlich Prüfungen des fertigen Produkts geboten. Was Qualitätssicherung, Validierung, Prüfung und Zertifizierung der Produkte aus additiver Fertigung angeht, gibt es noch große Lücken.

Titelbild: UL

Kontakt

Ingo M. Rübenach

Vice President DACH-Region
UL International Germany GmbH
Neu-Isenburg

Constantin Grudda

Möller Horcher Public Relations GmbH
Offenbach
Tel.: +49 69 80 90 96 - 51
E-Mail senden

germany.ul.com