Carl Martin Welcker

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Ein Turbo für die Digitalisierung

Zwischen Not-Aus und Neustart: Wie geht es dem deutschen Maschinenbau und mit ihm den Fachmessen? Der Messeplatz Deutschland hat durch die Corona-Beschränkungen einen Schock erlitten. Dadurch hat die Digitalisierung einen Schub erhalten, analysiert Carl Martin Welcker, Präsident des VDMA und geschäftsführender Gesellschafter der familieneigenen Alfred H. Schütte GmbH in Köln, im Gespräch mit Georg Dlugosch, Chefredakteur des IndustryArena eMagazines.

Was fehlt den Firmen an Werkzeugen, um nach den Messeabsagen mit Kunden in Kontakt zu bleiben?

Welcker: Die klassischen Instrumente bleiben. Je erklärungsbedürftiger ein Produkt ist, umso intensiver ist schon immer der Austausch zwischen Hersteller und Abnehmer. Das geht los bei der allgemeinen Präsentation von Broschüren bis hin zur Erläuterung der Produkte. Auch Hausmessen sind ja zurzeit eingeschränkt. Dafür gibt es heute stärker als früher die virtuellen Möglichkeiten, etwas darzustellen. Das kann ein Video online sein bis hin zu interaktiven, virtuellen Formen, bei denen der Kunde sich in einer Maschine umsehen kann. Am meisten fehlt der persönliche Kontakt.

Wie kommt der Techniker heute an die benötigten Informationen – gedruckt oder eher online?

Welcker: Ich schätze, es ist mehr eine Frage der Generation als der Technik. Die jüngeren Leute besorgen sich ihre Informationen eher online. Wenn ich beispielsweise einen gewissen Fräsmaschinenhersteller im Blick habe, dann gehe ich direkt auf dessen Webseite und informiere mich dort. Generell glaube ich, dass es noch relativ ausgewogen zwischen Print und Online ist. Das bleibt wahrscheinlich auch noch eine Weile so. Für diejenigen, die beispielsweise Fachzeitschriften nutzen, ist der Druck nach wie vor wertvoll. Und sie werden ihn weiter nutzen.

Zurück zu den Messen: Entfällt mit den Umsätzen bei den Fachmessen auch ein Teil des Umsatzes der Unternehmen?

Welcker: Bei einer Fachmesse kommt man mit Sicherheit mit einigen Kunden in Kontakt, die man nicht kannte und sonst vielleicht nicht erobert hätte. Ansonsten gehe ich davon aus, dass man auf Messen Kontakte pflegt, die man ohnehin hat. Die Bedarfe in einer Industrie müssen eigentlich gedeckt werden, ob die Messe stattfindet oder nicht. Aber nach den Absagen der Messen mag es umständlicher für den potentiellen Fachbesucher sein, sich die Informationen zu beschaffen, die er braucht, um eine qualifizierte Entscheidung zu fällen. Es mag auch schwieriger für den Aussteller sein, mit seinen Kunden eine Vereinbarung zu treffen. Fachmessen waren häufig der Kulminationspunkt der Auftragsgenerierung im Sinne von Unterschriften. Das zieht sich jetzt. Aber ich vermute, dass dadurch keine Umsätze wegfallen. Die Bedarfe an industriellen Maschinen werden natürlich gedeckt.

Carl Martin Welcker, Präsident des VDMA und geschäftsführender Gesellschafter der familieneigenen Alfred H. Schütte GmbH in Köln. Foto: Nölke/VDMA

Unternehmen suchen Ersatz für die Möglichkeit, sich auf Messen zu präsentieren. Welche Möglichkeiten hat ein Verband, um den Aufbau von Kontakten zu unterstützen?

Welcker: Die Aufgabe liegt im Wesentlichen bei den Unternehmen. Die Digitalisierung wird einiges verändern. Man ist heutzutage viel besser in der Lage, direkt auf einzelne Abnehmer zuzugehen und spezifizierte Informationen zu verteilen. Wir werden mit unseren Kunden in eine ganz andere Form von Dialog eintreten, sei es die direkte Ansprache von Person zu Person über bestimmte Produkte bis hin zu digital aufbereiteten technischen Inhalten, ohne dass es dazu einen physischen Kontakt braucht. Ein Verband kann über Bereitstellung von Branchenspezifika, Unternehmens- und Abnehmerinformationen helfen.

Haben diese Auswirkungen auch Einfluss auf die Sichtweise der Verantwortlichen in Geschäftsführung oder Marketing?

Welcker: Digitale Kundenkommunikation ist längst Realität. Das war es auch schon vor Corona. Nur waren die Budgets kleiner und der Druck war viel geringer als jetzt, da Alternativen wie Fachmessen und Hausausstellungen nicht mehr zur Verfügung stehen. Das hat sich wie ein Turbo ausgewirkt bei der Frage, wie ich digital vorankomme. Es handelt sich nicht um eine neue Entwicklung. Wenn andere Wege verschlossen sind, fokussiert man sich eben auf den Weg, der offen ist, und dieser erfährt eine enorme Bedeutung.

Welche Auswirkungen erwarten Sie auf das Messegeschehen selbst?

Welcker: Ich empfinde reale und virtuelle Welt nicht als Konkurrenz. Es wird das eine genauso geben wie das andere. Um die Messen selbst ist mir nicht bange. Man wird intensiver kommunizieren. Da ist die Digitalisierung ein Weg, der beschritten wird. Natürlich werden wir uns manche, nicht notwendigen Reisen ersparen. Das gilt auch für die Messebesuche. Nur um zu schauen, was es gibt, das wird man demnächst auch im Internet machen können. Aber die, die sich konkret mit ihrem Partner auseinandersetzen oder zusammensetzen wollen, die auch Hintergrundinformationen austauschen wollen, wird es weiterhin geben. Da ändert die Pandemie gar nichts. Messen waren immer auch Pflege und Aufbau von Kontakten. Dafür ist das zwischenmenschliche ein elementarer Faktor. Insofern ist mir darum nicht bange. Die Inhalte werden sich verschieben. Vielleicht sehen wir in Zukunft auf Messen mehr Entertainment und weniger Technik.

Gibt es neue und bisher wenig beachtete Möglichkeiten die stärker in den Blick rücken?

Welcker: Ich sehe weniger völlig Neues, sondern auch hier wieder die Beschleunigung. Wir werden mit Sicherheit als Reaktion auf das, was uns zurzeit verboten ist, vielleicht schon zum Jahresende rein virtuelle Messen erleben. Dieses Format der virtuellen Messehallen erfährt mit Sicherheit eine Aufwertung.

Wie werden die Lücken in der Finanzierung geschlossen?

Welcker: Die Messegesellschaften verlieren zurzeit Geschäft. Ich gehe jedoch davon aus, dass zumindest in den Monaten nach der Corona-Sperre das Messegeschehen intensiver wird. Sobald die Corona-Sperre vorbei ist, wird sich die Dichte der Termine verstärken. Wir werden ein sehr, sehr dichtes Messegeschäft haben. Da muss man eher aufpassen, dass man Besucher wie Aussteller nicht überfordert. Ich sehe die finanzielle Herausforderung erst an zweiter Stelle.

Titelbild: Alfred H. Schütte

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