Michael Hepp

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Keine Kommunikation mit der Gießkanne

Haben klassische Instrumente des Marketings noch eine Chance? Es ist nicht so einfach, die optimalen Präzisionswerkzeuge in digitalen Zeiten zu kaufen. Unterstützung muss vom Hersteller kommen, betont Dr. Michael Hepp, Vice President Digital Transformation & IT bei Walter. Seine Strategie lautet, weg von der Kommunikation mit der Gießkanne. Die Bereitstellung von Informationen soll zielgerichtet erfolgen, beispielsweise mit dem digitalen Beratungsassistenten Walter Innotime. Über Marketing in digitalen Zeiten sprach mit ihm Chefredakteur Georg Dlugosch, IndustryArena eMagazine.

Viele Unternehmen vertreiben bereits Produkte über das Internet, aber manche beabsichtigen es erst gar nicht. Können Sie einschätzen, wie viele es nicht tun?

Hepp:Die digitale Transformation hat schon vor der Covid-19-Krise an Dynamik gewonnen – und jetzt beschleunigt sich das natürlich noch einmal. Ich gehe davon aus, dass in unserer Branche aktuell gut die Hälfte der Unternehmen ihre Produkte auch über digitale Kanäle vertreibt. Welcher Anteil dieser Vertriebsweg bereits am Umsatz hat, lässt sich schwer sagen. Größere Unternehmen haben üblicherweise schon länger eine eShop-Lösung auf der eigenen Webseite integriert, kleinere nutzen stärker digitale Marktplätze oder verkaufen über Webshops von Händlern.

Wer ein Produkt verkaufen will, muss am Markt präsent sein. Wie lässt sich Sichtbarkeit herstellen – beispielsweise ohne Fachmessen?

Hepp:Wir bei Walter kommunizieren mit Kunden und Interessenten über eine Vielzahl an Kanälen. Neben den klassischen analogen Marketingmaßnahmen gewinnen digitale Kommunikationskanäle und deren strategisch geschickte Verschränkung für die Sichtbarkeit am Markt gerade enorm an Bedeutung. Unsere Kunden stehen vor immer größeren Herausforderungen. Sie arbeiten mit extrem schwer zerspanbaren Werkstoffen, immer leistungsstärkeren und flexiblen Maschinen und stehen unter extremem Produktivitätsdruck. Wir möchten sie dabei unterstützen, dass sie die optimalen Präzisionswerkzeuge möglichst einfach finden, kaufen und einsetzen können. Auf unserer Website finden sie dazu sehr umfangreiche Informationen – angepasst an unterschiedliche Informationsbedürfnisse. Dazu kommen unser Newsletter und die Social-Media-Kanäle, die für uns in der B2B-Kommunikation immer wichtiger werden.

Zudem haben wir gute Erfahrungen mit digitalen Events gemacht. Für die Präsentation unseres neuen digitalen Auslegungs-Assistenzsystems Walter Innotime war es in gewisser Weise sogar konsequent, dass wir statt einer Präsentation während der AMB unser eigenes Walter.liveEvent veranstaltet haben. Wir konnten uns über sehr positive Kundenreaktionen freuen und werden auch zukünftig zu digitalen Veranstaltungen einladen.

Der Digitalisierung des Verkaufs folgt wahrscheinlich die Digitalisierung des Verkaufskanals. Haben Sie ein Beispiel, wie dieser Prozess aussehen kann?

Hepp:Generell ist ein digitaler Verkaufskanal nur ein Bestandteil unseres Vertriebskonzepts. Wir setzen auf Direktvertrieb mit unseren eigenen Vertriebsingenieuren und arbeiten mit Vertriebspartnern zusammen. Für uns ist es im ersten Schritt wichtig, diese Kanäle für den Kunden besser aufeinander auszurichten. Eine Omni-Channel-Strategie verzahnt alle Kanäle so miteinander, dass sich für den Kunden und die Customer Journey möglichst wenige Brüche ergeben. Die wichtigsten Elemente für Digital Sales sind Systeme wie Innotime, GPS und auch immer noch der Onlinekatalog. Innotime ist dabei der innovativste Baustein. Innotime ist ein Auslegungsassistent. Der Kunde lädt ein 3D-Modell seines Bauteils in unser System, das dann die Bearbeitungslösung und eine Empfehlung der dafür notwendigen Werkzeuge ermittelt und ein Angebot ausgibt. Damit kann er im eShop direkt bestellen. Aktuell wird das Innotime-Ergebnis noch durch unsere Vertriebsingenieure auf Plausibilität überprüft. Im nächsten Schritt wird das nur noch bei komplexen Bauteilen der Fall sein.

Welche Ziele können damit verfolgt werden?

Hepp:Mit der Verknüpfung von Digital und Direct Sales verfolgt Walter zwei Ziele. Der Kunde bekommt seine Lösung nicht nur schneller, inklusive aller digitalen Daten, die er für den Betrieb braucht. Er kann den Prozess eben auch jederzeit anstoßen, auch wenn sein Berater gerade nicht erreichbar ist. Damit bilden wir auch strukturell das reale Kaufverhalten unserer Kunden ab, für die Beschaffung und Tool Management ja oft ein etwas nerviges Nebengeschäft zu ihrem eigentlichen Job ist. Und natürlich geht es auch darum, unsere internen Prozesse schneller und effizienter zu machen.

Zum Verkauf gehören ein Anbieter und ein Käufer. Wie werden nach der Digitalisierung beide miteinander Kontakt aufnehmen – Lead-Generierung und Matchmaking oder andere Schlüsselzahlen?

Hepp:Sichtbarkeit ist natürlich der erste Schritt und die Voraussetzung für die Lead-Generierung. Interessenten informieren sich umfassend im Internet, rund die Hälfte der Kunden haben ihre Kaufentscheidung sogar schon getroffen, bevor sie in Kontakt mit einem unserer Vertriebsmitarbeiter waren. Der Trend geht weg von Kommunikation mit der Gießkanne, hin zu zielgerichteter Bereitstellung von Informationen. Inhalte müssen auf die jeweilige Zielgruppe maßgeschneidert und einfach zu finden sein, wie SEO oder SEA. Hier sehen wir vor allem die Vorteile digitaler Beratung, wie wir sie mit Innotime, GPS und dem Onlinekatalog anbieten. Wir möchten Kunden möglichst durchgängig, schnell, einfach und ansprechend entlang der gesamten Customer Journey unterstützen. Wichtig sind auch Foren, Youtube, Linkedin, Instagram oder Facebook.

Es ist kaum vorstellbar, aber Realität, dass etliche Prozesse im digitalen Verkauf noch auf klassische Weise abgewickelt werden. Welche Medienbrüche müssen noch überwunden werden?

Hepp:Aus Kundensicht geht es um die Durchgängigkeit der Vertriebskanäle. Unser Omni-Channel-Konzept ist so angelegt, dass es nur noch zu Medienbrüchen kommt, wenn der Kunde das so möchte. Also zum Beispiel per eMail bestellen und bei uns muss das dann manuell ins ERP-System eingepflegt werden. Wer über den Webshop oder mit Innotime arbeitet, profitiert davon, dass es keinen Medienbruch mehr gibt. Aktuell arbeiten wir daran, auch intern die Prozesse so aufzustellen, dass zum Beispiel manuelle Prüfungen und Freigaben weitgehend entfallen, sprich Prozessbrüche vermieden werden.

Was für die Verkaufsprozesse durchaus typisch ist, gilt besonders für die Gesamtheit der Geschäftsprozesse. Welche Chancen sehen Sie durch vollständige Digitalisierung der Geschäftsprozesse?

Hepp:Vorrangig ist eine durchgängige Customer Experience zu nennen. Gemeint ist damit, dass sämtliche Lösungen, die wir unseren Kunden anbieten, schlüssig ineinandergreifen und so ein durchgängiges und ganzheitliches Kauf- und Beratungserlebnis schaffen. Dazu gehören eine 24/7-Beratung unserer Kunden durch digitale Services, sowie eine für sie transparente Lieferkette. Um das zu ermöglichen, müssen unter anderem die Potenziale der internen Prozesse gehoben werden, indem diese mittels Process-Mining-Software identifiziert werden. Durch Umgestaltung der Prozesse mit digitalen Mitteln können diese stabiler und effizienter gemacht werden – zumindest dort, wo dies sinnvoll ist. Eine mögliche Technologie zur Automation von Prozessen, auf die wir setzen, ist die Robotic Process Automation, RPA.

Kontakt

Dr. Michael Hepp

Vice President Digital Transformation & IT
Walter AG
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