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Engineering wird begreifbar

Durchsatz von zehn Keksen: Ausgehend von einem Entwicklungsprojekt für einen großen Nahrungsmittelkonzern, wird im Forschungsprojekt MI5 eine modulare Demonstrationsanlage entwickelt, die verschiedene Güter mit unterschiedlichen Prozessschritten herstellen kann. Die Produktionsanlage soll den abstrakten Prozess des Engineerings unter Anwendung von mechatronischen Entwicklungsmethoden begreifbar machen. Anhand der Dokumentation kann der gesamte Entwicklungsprozess nachvollzogen werden.

Den Verantwortlichen in Politik und Industrie wird immer klarer, dass die technologische Vormachtstellung der deutschen Automobilindustrie und des Maschinenbaus nicht als für immer gegeben angesehen werden darf. Deshalb versucht die Bundesregierung mit ihrer jüngst beschlossenen Hightech-Strategie, Deutschland (auf Dauer) auch als Innovationsweltmeister zu etablieren. Eine der Motivationen für die Auslobung der Förderprogramme ist die Verunsicherung der Verantwortlichen, dass durch die vierte industrielle Revolution die technologischen Karten weltweit neu gemischt werden und vielleicht die deutschen „Platzhirsche“ von ihren angestammten Plätzen verdrängt werden.

Das zentrale Problem mit der vierten industriellen Revolution ist allerdings, dass bisher nur wenige begreifen, um was es bei dieser Entwicklung eigentlich geht und welche organisatorischen, betriebswirtschaftlichen und technischen Konsequenzen sich daraus ergeben.

Um dem (intellektuellen) Begreifen zu helfen, ist es in der Regel sehr dienlich, dem Menschen Dinge (taktil) begreifbar zu machen. Diese Zweideutigkeit des Wortes „Begreifen“ ist die Grundlage für das Pilotprojekt „Showcase MI5“. In MI5 steht das M für Mechatronisches Engineering und I5 für die fünf Wörter innovativ, interdisziplinär, international, inkrementell, interaktiv.

In diesem Projekt arbeiten derzeit 20 hochmotivierte Studenten aus unterschiedlichen Fachbereichen (Maschinenbau, Elektrotechnik, Informatik, Game Engineering) und Nationen (Deutschland, Schweiz, Italien, Spanien, Tunesien, China) mit Hochdruck daran, bis zur SPS/IPC/Drives 2014 (Halle 1, Stand 458) einen Demonstrator aufzubauen um darzustellen, was mit modernen cyber-physischen Systemen machbar ist.

Gleichzeitig wollen die Studenten, die von erfahrenen Ingenieuren der ITQ GmbH mit Sitz in Garching gecoacht werden, während der Messe zeigen, wie interdisziplinäres mechatronisches Engineering im Detail aussieht. Mit MI5 sollen nicht nur innovative technische Lösungen und eine „idealtypische Art des Engineerings dargestellt werden, sondern im gleichen Maße soll „vorgelebt“ werden, welche Rückwirkungen die vierte industrielle Revolution auch auf das soziale Gefüge und das organisatorische Miteinander in einem Team hat.

Das Projekt wird von Herstellern der Automatisierungstechnik und aus dem Engineering-Bereich durch Bereitstellung von Equipment und Softwaretools unterstützt (Beckhoff, B&R, Bosch Rexroth, Wenglor, Siemens). Während der Messe wird ein Prototyp zu sehen sein, mit dem man Kostproben an Süßwaren und Getränke für die Messegäste produzieren oder abfüllen kann.

Die einzelnen Produktionsstationen sind als cyber-physische Subsysteme zu verstehen, die jeweils über eigene Intelligenz beziehungsweise Fähigkeiten (Skills) verfügen und je nach spezifischer Aufgabe angefordert werden können. Die funktionalen Anforderungen an die cyber-physischen Module wurden auf Basis einer initial ausgeführten, funktionsorientierten Requirementsanalyse detailliert beschrieben.

Dieser funktionale Ansatz bietet die Möglichkeit über alle Phasen des Entwicklungsprozesses sauber und klar strukturiert nachzuvollziehen, wie die umgesetzte Lösung mit den anfangs gestellten Anforderungen korreliert. Gleichzeitig werden die einzelnen Module vorab schon durch entsprechende Simulationen durchgetestet, so dass die Inbetriebnahme der realen Module weitaus einfacher vonstatten geht als bei dem in der Industrie noch häufig angewendeten Big-Bang-Ansatz (= alles mal zusammenschrauben und dann schauen, was passiert).

In dem Namen des Forschungsprojekts MI5 steht das M für Mechatronisches Engineering und I5 für innovativ, interdisziplinär, international, inkrementell, iterativ. Das Projekt bietet eine Möglichkeit, die in der Theorie erlernten Entwicklungsmethoden und Vorgehensmodelle in der Praxis anzuwenden. Die Einführung und der Einsatz der Methoden hängen stark vom Projektkontext ab. Sie müssen deshalb angepasst werden. Im Showcase MI5 werden Ansätze aus verschiedenen Domänen kombiniert. Neben einem klassischen Vorgehensmodell, in diesem Fall dem Quality-Gate-Modell für die übergreifende Projektorganisation, werden auch agile Methoden wie das in der Software-Entwicklung häufiger angewendete Scrum eingesetzt. In einem Team mit flachen Hierarchien soll der initiale Planungsaufwand auf das Essenzielle minimiert werden. Anschließend wird das Projekt iterativ weiterentwickelt. Dabei werden die zur Verfügung stehenden Ressourcen durch selbstständige Restrukturierung innerhalb des Teams optimal eingesetzt.

Während man bei Messedemonstratoren in der Regel zeigen möchte, was man mit neuen Komponenten – wie mit dem bei MI5 eingesetzten XTS von Beckhoff – machen kann, möchte das Projekt MI5 auch detailliert zeigen, wie das Engineering im Detail abgelaufen ist. Nachdem in cyber-physischen Systemen auf mehreren Abstraktionsebenen Software enthalten und in völlig unterschiedlichen Ausprägungen eingebettet (embedded) ist, aber Software nicht zu sehen ist, wird bei der Darstellung des Engineering-Prozesses großer Wert darauf gelegt, selbst Software sichtbar zu machen.

Die Nicht-Sichtbarkeit der Software und die damit verbundene „Schwer-Verständlichkeit“ sind zentrale Hemmnisse, woran die Diskussion um Industrie 4.0 klemmt. Viele Verantwortliche des Maschinen- und Anlagenbaus und auch der Automobilindustrie sind keine Experten im Bereich Software, deshalb ist es oft schwer zu begreifen, was cyber-physische Systeme eigentlich für Möglichkeiten bieten. Ebenso leuchtet vielen Unternehmenslenkern nicht ein, welche Gefahren drohen, wenn man sich auf die „Software-isierung“ der Produkte organisatorisch und von der Denkweise her einstellt.

Software ist nicht ein Add-on, sondern das zentrale Element: Insbesondere dieser Aspekt, sich auf diese neue Denkweise einzulassen ist von essenzieller Bedeutung. Denn dieser Umbruch hat weitreichende Konsequenzen auf die hierarchischen Strukturen in den Unternehmen, in den firmenübergreifenden Abläufen und den Formen der Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen. Ungemach droht.

Es wäre nicht das erste Mal, dass technische Revolutionen große Veränderungen in den Sozialgefügen nach sich ziehen und dass aus technologischen Vorreitern dann Verlierer werden. Insbesondere in einem Markt der hochinnovativ und software-lastig ist, sind Veränderungen schnell spürbar.

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