Harald Balzer

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Management

Punktgenau produzieren

Lean Management ist eine anerkannte Methode, um die Prozesskette für eine bessere Wertschöpfung zu optimieren. Für den Mittelstand gibt es einige Hürden, um gute Ergebnisse zu erzielen. Mit Dr. Harald Balzer, Vorstandsvorsitzender des Beratungsunternehmens Concept AG, Stuttgart, und Buchautor, sprach Georg Dlugosch, Chefredakteur des CNC-Arena eMagazines.

Den Begriff Lean Management kennt jeder, aber wird auch verstanden, um was es geht?

Balzer: Lean Management wird häufig zunächst einmal mit dem Thema Produktivität in Verbindung gebracht, was sicherlich richtig ist. Wobei die Steigerung der Produktivität einhergeht mit dem Abbau von unnötigen und überflüssigen Tätigkeiten, die Zeit und Energie rauben – und den Mitarbeitern das Leben schwer machen. Dies beginnt mit der Suche nach Werkzeugen oder Material und endet bei der Nacharbeit aufgrund mangelnder Qualität.

Ein häufiges Killerargument lautet „Das haben wir schon immer so gemacht“. Beim Thema Lean Management muss sich die Denkweise ändern. Wie geht ein Geschäftsführer das Thema Change Management am besten an?

Balzer: Zunächst einmal muss glasklar kommuniziert werden, was erreicht werden soll. Und es muss die Frage beantwortet werden, was die Mitarbeiter davon haben und wie sie in einer vernünftigen Reihenfolge eingebunden werden. Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht, wenn in einem Pilotbereich gestartet wird. Sehen die Mitarbeiter, dass das Konzept funktioniert, kann es anschließend in die Breite ausgerollt werden.

Warum scheitern Lean-Projekte und welche Fehler werden häufig gemacht?

Balzer: Der erste Fehler, der häufig begangen wird: Man ist Feuer und Flamme, beginnt mit einem Pilotbereich, in den man überproportional viel Energie steckt – und hat überhaupt kein Konzept, wie Lean im Unternehmen systematisch weiterentwickelt werden soll. Denn kaum ist die Aufmerksamkeit in dem Pilotbereich gesunken, bricht – um in einem Bild zu sprechen – das Erreichte wieder in sich zusammen. Der zweite Fehler: Die produktionsnahen IT-Systeme sollten die Abläufe wiedergeben, wie sie beispielsweise in dem Pilotbereich physisch umgestellt wurden. Auf diesen Punkt wird meines Erachtens viel zu wenig Aufmerksamkeit gelegt. Ein Beispiel: Wenn man das Pull-Prinzip im ERP-System nicht abbilden kann, wird sich auch die Durchlaufzeit nicht nachhaltig verändern. Der dritte Fehler: Man versucht, schablonenhaft vorzugehen. Man beginnt mit 5S, Ordnung und Sauberkeit, ohne die Frage gestellt zu haben, wo sich der Engpassfaktor in einem Produktionsbereich befindet.

Welche Auswirkungen hat das Lean-Thema auf die Fertigungsprozesse?

Balzer: Der wesentliche Effekt lautet Verschwendung reduzieren. Auf diese Weise kann man mit einer kurzen Durchlaufzeit produzieren, um keine Bestände aufzubauen. Oder anders gesagt: Es geht darum, punktgenau für den Kundenbedarf zu produzieren. Dies funktioniert jedoch nur, wenn die nötige Flexibilität in der Mitarbeiterverfügbarkeit vorhanden ist. Denken Sie beispielsweise an Jahresarbeitszeitmodelle, in denen Bandbreiten von Maschinen- und Mitarbeiterverfügbarkeit definiert sind, um immer bedarfsorientiert zu produzieren: Aufträge werden dann bearbeitet, wenn sie eingegangen sind. Für die Mitarbeiter ist ein großer Effekt, aufgrund standardisierter Abläufe in einer qualitativ hochwertigeren Fertigungsumgebung mit höherer Professionalität, weniger Fehlerquellen und -ursachen stressfreier zu arbeiten.

Muss die Einführung von Lean Management immer ein so trockenes Thema sein?

Balzer: Trocken ist Lean dann, wenn es akademisch aufgesetzt, nicht mit den nötigen Emotionen aufgeladen und drittens nicht mit einem konkreten Ziel verbunden wird, mit dem Begeisterung geweckt werden kann. Und es darf auf keinen Fall dogmatisch sein. Für Mitarbeiter interessant wird es dann, wenn der Versuch unternommen wird, bei ganz konkreten Problemen, die immer wieder auftauchen, einen Durchbruch zu erreichen. Trocken ist es sicherlich auch dann, wenn sich der Werkleiter mit dem Thema Lean nicht anfreunden kann.

Nennen Sie ein positives Beispiel aus dem Maschinenbau, das die Aufgabe mit Erfolg gemeistert hat.

Balzer: Bei einem klassischen Maschinenbauer wurde eine hohe Flexibilität in der Montage erreicht, indem alle Materialzu- und -abgänge komplett neu organisiert und schlanke Montagezellen aufgebaut wurden. Dort wurden sogar die Arbeitsinhalte pro Mitarbeiter erhöht und flexibilisiert. Auf diese Weise erhielten die Arbeitsplätze eine höhere Attraktivität. Administrative Tätigkeiten wurden von der reinen Wertschöpfung getrennt. Dies führte zu einer extremen Leistungssteigerung. Im Unterschied zum Serienfertigungsgeschäft musste man in der Entwicklung und Konstruktion entsprechende Standardisierungen vornehmen, was wiederum einen Effekt auf die Einkaufs-, Beschaffungs- sowie Lagerbewirtschaftungsseite hatte. In diesem Unternehmen konnte die Anzahl der Prozesse deutlich reduziert werden bei erhöhter Varianz zum Kunden. In Zahlen ausgedrückt: Während die Produktivität um knapp 30 Prozent stieg, reduzierten sich die Bestände um 70 Prozent.

Titelbild: Herausgeber von „Lean verstehen und umsetzen“ Dr. Harald Balzer und Dr. Axel Tome, Vorstandsmitglieder der Concept AG, Stuttgart. Fotos: Concept

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