Georg Dlugosch

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Industrie 4.0

Pflege für KI-Systeme im Alter nötig

Für produzierende Unternehmen wird es immer wichtiger, Anwendungen mit künstlicher Intelligenz (KI) zu verwenden, um mit dem Wettbewerb mitzuhalten. Kleinere Unternehmen stehen jedoch vor dem Problem, dass sie sich keinen Experten dafür leisten können. Ihnen bietet das Startup Phnx Alpha Hilfe an. Es wurde Anfang des Jahres gegründet, um die Sicherheit des KI-Einsatzes zu gewährleisten und einen „Drift“ des KI-Modells zu erkennen. Über den Leitfaden zur Überwachung der Gesundheit von KI-Modellen gaben die Geschäftsführer Konstanze Olschewski und Jens-Michael Ruppelt im Interview mit dem IndustryArena eMagazine Auskunft.

Phnx Alpha wurde zu Anfang des Jahres gegründet. Was ist der Zweck des Unternehmens?

Olschewski: Phnx Alpha, ausgesprochen ˈfiːnɪks Alpha, hat es sich zur Aufgabe gemacht, eingesetzte KI-Systeme sicherer zu machen. Dann können auch kleine und mittlere Unternehmen von solchen Technologien profitieren und diese zuverlässig einsetzen.

Was kann ein Startup gegenüber der Kraft der IT-Giganten bewirken?

Olschewski: Wir stehen gar nicht in direkter Konkurrenz zu den großen IT-Unternehmen. Zum einen sind kleine und mittlere Unternehmen für sie weniger interessant, zum anderen konzentrieren wir uns darauf, Unternehmen die Möglichkeit zum KI-Einsatz ohne Experteneinsatz zu ermöglichen. Die Großen der Branche adressieren eher Data Scientists und Experten, indem sie entsprechenden Service zur Verfügung stellen. So sehen wir uns eher in einer Nische.

Künstlicher Intelligenz wird gemeinhin zugeschrieben, besser und klüger als der Mensch zu sein. Nun erfährt man von Ihrem Startup, dass KI mit Fehlern behaftet ist und sogar altert. Ist sie dann auch nur so gut wie ein Mensch?

Olschewski: Wir sind da in anderen Bereichen unterwegs. Aus unserem Blickwinkel ist der Mensch gar nicht so sehr in Konkurrenz zur KI. Die Technik kümmert sich vielmehr um komplexe Probleme, die an dieser Stelle die Fähigkeiten des Menschen überschreiten. Insofern stellt sie sich eher als ergänzende Hilfe dar. So kann die KI ihre Stärken ausspielen, um die Fähigkeiten des Menschen zu erweitern.

Wie gut ist dann eine Lösung mit künstlicher Intelligenz?

Olschewski: KI ist nur so gut, wie die Daten, die benutzt werden, um sie zu trainieren. Wenn die Daten nicht ganz korrekt sind, kann die KI nicht besser sein. Dann müssen wir der KI an dieser Stelle das entsprechende Maß an Fehlern zugestehen.

Ist die Furcht also unbegründet, dass KI die Arbeit des Menschen übernimmt?

Olschewski: Diese Problematik sehe ich nicht. KI ist eher eine Unterstützung und Ergänzung, um zusammen einen effizienteren Prozess zu erreichen oder dass Expertenwissen tatsächlich nur noch genutzt wird, wenn Fachwissen gefordert ist.

Sie beschreiben die Technik mit menschlichen Zügen. So kann zum Beispiel das KI-Modell altern. Muss es dann bei Krankheitssymptomen ebenfalls zum Arzt?

Ruppelt: Generell versuchen wir zwar, die Vermenschlichung zu vermeiden, Auf der anderen Seite benutzen wir die gleichen Termini. Aus unserer Perspektive altert ein solches Modell grundsätzlich. Deshalb sehen wir eine regelmäßige Überprüfung als sinnvoll an, ob dieses Modell noch die gleiche Leistung erbringt wie zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme. Das ist das Ziel unseres Produkts. Hier handelt es sich um eine essenzielle Aufgabe, die vielen gar nicht bewusst ist.

Welche Hürden müssen vor dem KI-Einsatz genommen werden?

Ruppelt: Da geht es zunächst um die Hürde, einen sinnvollen Einsatz für das virtuelle Werkzeug zu finden. Wenn das Modell einmal funktioniert hat, dann gilt es, die nächste Hürde zu nehmen, nämlich die Leistungsfähigkeit zu erhalten. In Wirklichkeit altert bei genauem Hinsehen nicht das Modell, sondern es verändert sich die Umwelt. Ein Beispiel. Wenn jemand heute eingefroren und in zwei Jahren wieder aufgetaut wird, dann könnte er zur Frage nach KI mit dem Wissen von heute eine gute Antwort geben. In dieser Zeit jedoch hat sich jedoch die Technologie weiterentwickelt. Im Grunde hat sich also die Umwelt verändert, während das Wissen der Person gleich blieb. So geht es auch den KI-Modellen.

Für welche Anwendungen scheint Ihnen der Einsatz von KI besonders geeignet?

Olschewski: Wir bewegen uns im Bereich von Produktionsprozessen, die in der Regel teuer sind, wenn sie Ausschuss produzieren. Das kann beispielsweise im Spritzguss der Fall sein. Oder es geht darum, wie man in kürzester Zeit die Maschinen optimal auswählt. Dazu gehört auch die Frage nach Energieeffizienz. Bei chemischen Prozessen wie in der Kunststoffherstellung sind die Prozesse so komplex, dass die Qualität oder der Prozessausgang vorab eingeschätzt werden muss. Da ist es auch sinnvoll, den Prozess zu überwachen, weil es wichtig ist, dass die Vorhersagequalität aufrechterhalten wird und im schlimmsten Fall gute Produktions-Chargen fälschlicherweise verworfen werden.

Oft wird erwartet, dass künstliche Intelligenz lernfähig ist. Warum entwickelt sich ein KI-Modell nicht weiter?

Olschewski: Systeme, die selbst eine regelmäßige Anpassung vornehmen, kann man entwickeln, aber dabei handelt es sich um eine deutlich komplexere Infrastruktur. Das können große Unternehmen sicherlich aufbauen und pflegen, aber aktuell gibt es in der industriellen Anwendung praktisch nur Systeme, die auf historischen Daten trainiert sind. Dadurch kommt ein zusätzliches Level an Komplexität hinein, das zudem schwer zu handhaben ist und noch sehr stark der Entwicklung bedarf. Der Mehrwert würde aktuell in vielen Fällen noch nicht den zusätzlichen Kosten entsprechen.

Wie funktioniert der technologische Ansatz?

Olschewski: Beim Einsatz von KI wird ein ständiger Abgleich mit der Realität eingeführt. Man erfasst Daten aus dem aktuellen Produktionszeitraum und vergleicht die Referenzen. Wenn man die Qualitätsparameter nimmt, dann wird verglichen, ob sich das KI-Modell genauso entschieden hat oder die Gut- und Schlecht-Bewertungen abweichen. Ansätze mit Machine Learning überwachen an mehreren Stellen, wie sich das Gesamtmodell verändert. Das Monitoring-System überprüft, ob noch die gleiche Vorhersagequalität vorhanden ist.

Gibt es Wettbewerber am Markt mit dieser Fragestellung?

Ruppelt: Wir sind damit nicht alleine am Markt. Die Mitbewerber, die wir kennen, orientieren sich eher am Data Scientist. Sie wollen ihn auf dem Weg unterstützen, wie man ein Modell trainiert und wie dieses Modell leben kann. Die Validierung ist teils enthalten, aber nicht in der fachlichen Tiefe wie bei uns. So gibt es eine inhaltliche Differenzierung. Zudem entstehen im Wettbewerb viele Plattformen. Das bedeutet für den Kunden, dass er die Daten auf der Plattform bereitstellen muss. Dort läuft gewissermaßen das Modell in der Cloud. Bei unserer Zielkundschaft sehen wir das als eine große Hürde. Die aktuelle Anforderung ist eher, die Daten direkt an der Maschine zu verarbeiten.

Für welche Unternehmen ist die Lösung gedacht?

Olschewski: Wir adressieren hauptsächlich produzierende Unternehmen, ebenso Multiplikatoren, also Maschinenbauer und Automatisierung, wo wir einen Mehrwert für den unabhängigen Qualitätsnachweis des Modells liefern können. Wir können auch einen Prozessbaustein für die Maschinensteuerung liefern, die an dieser Stelle das Monitoring bereitstellen kann.

Wann rückt solch eine Lösung für das Unternehmen ins Interesse?

Olschewski: Wenn man betrachtet, wie teuer der Prozess ist, der überwacht werden soll, dann ist der Punkt sicherlich am besten zu erkennen. Was kostet ein Ausfall oder der Ausschuss eines Bauteils?

In welcher Relation muss der Einsatz stehen?

Ruppelt: Der Einsatz von KI steht immer in Relation zu den Investitionen für die Daten und das Training des Modells. Lohnt es sich, mit einer Vorhersage den Prozess stabiler zu machen? Das ist der Business Case, der in Relation zu den Einsparungen steht. Oftmals sehen wir, dass die Investitionskosten hoch sind und damit der Business Case etwas weiter weg ist. Also hängt alles von der Stabilität des Prozesses und der Vorhersage der Güte ab. Je größer die Aufgabe, desto signifikanter wird das Problem.

Welche Voraussetzungen muss ein Unternehmen mitbringen?

Ruppelt: Das Schöne an unserer Lösung ist die Tatsache, dass wir uns an diejenigen Unternehmen richten, die sich kein Data-Science-Team leisten können oder eine große IT-Abteilung haben. Wenn unser Modell eingebunden ist, kann es gewissermaßen auch in einer IT-armen Umgebung laufen.

Wo wollen Sie mit dem Unternehmen in fünf Jahren stehen?

Olschewski: Dann möchten wir die Lösung in eine automatisierte oder geschlossene IoT-Infrastruktur eingebunden sehen. Jetzt sind wir noch an dem Punkt, wo wir das Modell-Monitoring zur Verfügung stellen, um die abnehmende Leistungsfähigkeit überhaupt darzustellen. Das ferne Ziel ist eine Gesamtlösung, die eine leichtere Verfügbarkeit von trainierten Modellen ermöglicht, so dass wir die Automatisierungsschleife schließen können. Dann können zum Beispiel Edge Devices zurückmelden, dass sie kein aktuelles Modell mehr zur Verfügung haben, und automatisiert ein Update verlangen.
Foto: Phnx Alpha

Kontakt

Konstanze Olschewski
Jens-Michael Ruppelt

Geschäftsführung
Phnx Alpha GmbH
Jena
Tel. +49 3641 3296495
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Das Interview führte Georg Dlugosch, Chefredakteur des IndustryArena eMagazines.
www.phnxalpha.de