Mirko Merlo

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Zerspanung der Zukunft

„Die digitale Fabrik wird die Heimat der zukünftigen Zerspanung sein“, sagt Mirko Merlo, Vorstandsvorsitzender der Walter AG, im Gespräch mit Georg Dlugosch, Chefredakteur des IndustryArena eMagazines. Als Erlebniswelt und Forschungsfabrik zugleich hat das Unternehmen das neue Technology Center in Tübingen vorgestellt. Dort wird ein Blick auf die digitale Fabrik möglich und der gesamte Lebenszyklus eines Bauteils abgebildet. Live können Kunden die Werkzeuge und Bearbeitungsprozesse erleben. Walter benötigt durchschnittlich sechs Jahre für die Entwicklung einer neuen Schneidstofftechnologie. Mit Tiger-tec Gold ist jetzt erneut ein Technologiesprung gelungen.

Herr Merlo, Sie haben einmal gesagt, dass Sie nie zufrieden sind. Das neue Technologiezentrum ist fertiggestellt. Können Sie jetzt einen Moment lang zufrieden sein?

Merlo: Wir haben die Voraussetzungen geschaffen, den Erfolg dieses Unternehmens nachhaltig zu sichern. Dieses Technology Center ist in diesem Sinne ein Baustein unserer Zukunft. Ich bin also dieses Mal doch zufrieden, weil die ersten Schritte gemacht sind. Wir sind natürlich noch nicht am Ende, aber das, was wir hier erreicht haben, ist eine Super-Sache.

Bei den Geschäftsfeldern stehen für Walter die Branchen Automobil, Luftfahrt und Energie im Fokus. Welche Trends gibt es?

Merlo: Öl und Gas gehören zum Bereich Energie bei Walter. Das erklärt, warum dieses Geschäftsfeld nicht so gut läuft. Sehr positiv stellt sich das Gebiet Windkraft bei den alternativen Energien dar. Das Thema entwickelt sich, wenn auch langsam. Wir erkennen wieder Initiativen und Investitionen. Auch in der Technik dafür gibt es neue Entwicklungen.

Wie hoch ist der Marktanteil von Walter bei den Präzisionswerkzeugen?

Merlo: Die Kalkulation ist schwierig, weil die Marktaufteilung nicht einfach ist. Wir dürfen nach wie vor sagen, dass wir unter den größten Zehn stehen. Allerdings ist die Aufteilung des Markts leider sehr stark eine mathematische Frage geworden. Die Top Ten sind für mich hingegen eine klare Definition, auch eine klar definierte Liga, und unter diesen Top Ten befindet sich Walter.

Die Innovationskultur führt immer wieder zu neuen Produkten. Mit Tiger-Tec Gold ist die jüngste Innovation vorgestellt worden, was kommt als nächstes?

Merlo: Jetzt haben wir Tiger-Tec Gold vorgestellt. Es dauert mit Sicherheit weniger als sechs Jahre, um die nächste Entwicklung vorzustellen. Ich schätze, die nächste Station ist eine weitere Verbindung zwischen digitalem Know-how, digitaler Engineering Kompetenz und Produkten. Es handelt sich nicht einfach um neue Produkte, sondern um die Verbindung der Produkte mit der digitalen Welt. Damit ist das gemeint, was wir als Engineering Kompetenz in der digitalen Welt definiert haben.

Walter setzt stark auf die digitale Transformation. Welche weiteren Schritte sind geplant?

Merlo: Es geht mehr und mehr um Prozessvereinfachung. Wir müssen unseren Kunden etwas Konkretes bieten. Nicht als Powerpoint, nicht als Marketing, sondern bei einer Maschine oder einer Fertigungslinie. Das bedeutet für uns Prozessoptimierung durch die digitale Transformation. Die digitale Fabrik wird die Heimat der zukünftigen Zerspanung sein.

Neben der Digitalisierung ist der 3D-Druck ein oft diskutiertes Thema. Welche Vorbereitungen trifft Walter im Blick auf die additive Fertigung?

Merlo: In der aktuellen Phase können wir noch nichts Konkretes sagen.

Wollen Sie überhaupt auf diesem Gebiet weiter arbeiten?

Merlo: Natürlich. Alles, was uns nach vorne bringen kann im Sinn von Ressourcen und Investitionen, hat Priorität. Tatsache ist, dass additive Fertigung schöne Ideen gebracht hat, aber wenig Konkretes. Man kann heute einen Teil der Werkzeuge mit additiver Fertigung generieren, aber die Kosten sind zu hoch, als dass sich die Investition lohnt. Und die finale Lösung ist nicht ausreichend. Den Ansatz finden wir nach wie vor sehr interessant. Wir investieren deshalb in dieses Feld weiter. Auch mit Partnern und Universitäten. Aber wir sehen noch kein Ergebnis, und müssen uns klar positionieren, so dass wir die Ressourcen richtig einsetzen.

Können Sie abschätzen, wann erste Ergebnisse zu sehen sind?

Merlo: Ich persönlich erwarte in den nächsten drei Jahren keinen großen Fortschritt auf diesem Gebiet.

Walter Green ist ein weiteres wichtiges Vorhaben. Wie ist der aktuelle Stand?

Merlo: Wir haben unseren Produktzyklus zu Ende gebracht. Wir sind heute in der Lage, nicht nur wieder aufgearbeitete Produkte unseren Kunden anzubieten, sondern wir können das Pulver und die Wendeplatten völlig in den Recycling-Zyklus einbinden. Ein hoher Anteil unserer Wendeschneidplatten wird heute unter Nutzung von Recyclingpulver hergestellt. Das ist ein riesiger Schritt für die Umwelt in den nächsten 20 Jahren. Green ist eine klare Verpflichtung für Forschung und Entwicklung. Wir versuchen immer wieder, die kleinsten Wendeplatten zu entwickeln, gerade um Verschwendung von Pulver zu vermeiden. Green ist bei Walter ganz klar auch in die Prozess-Entwicklung integriert.

Vor etwa zwei Jahren haben Sie die mangelnde Werkzeugmaschinenkompetenz in Deutschland beklagt. Wie lässt sich die Situation verbessern?

Merlo: Ich meine, dass die Fokussierung der Unternehmen auf ihr jeweiliges Kerngeschäft dazu geführt hat, dass unsere Kunden die Kompetenz in der Zerspanung nicht mehr haben oder nicht mehr haben wollen. Das ist auch eine Entwicklung bei der Partnerschaft zwischen Kunden und Lieferanten. Wir sehen dieses Phänomen als eine Entwicklung in der Branche. Der Autohersteller wird mehr und mehr Motoren entwickeln wollen, und weniger eine Kompetenz in der Zerspanung aufbauen. Er erwartet, dass wir diese Entwicklung kompensieren können. Damals war Multiply ein Angebot von uns für alle diese Kunden. Es handelt sich um eine Dienstleistung oder ein Know-how, das wir unseren Kunden zu Verfügung stellen. Heute gehen wir mit unserer digitalen Antwort weiter. Wir wollen durch diese digitale Technologie und dieses digitale Know-how einige Funktionen überflüssig machen. Derjenige, der Dateninformationen bis gestern in ein Voreinstellgerät eingegeben hat, kann sich heute anderen Aufgaben widmen. Neue Tätigkeitsfelder auszuüben ist ein Bestandteil der digitalen Transformation. Diese Möglichkeiten müssen wir unseren Kunden bieten. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Produktionskette ganz aus Deutschland abwandert.

Wo können diese Jobs in Zukunft angesiedelt sein?

Merlo: In Deutschland nicht. Es gibt Länder in Europa, die historisch gesehen Lohnfertigungsländer sind. Sie haben in meinen Augen jetzt mehr Zukunft. Dafür müssen die Unternehmen auch Verantwortung übernehmen, so dass man gemeinsam die Alternativen aktivieren kann.

Fotos: Walter

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