Thierry Wolter

Ceratizit

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Hartbearbeitung ist
eine wichtige Nische

Größe ist nicht entscheidend. Wichtiger ist es für ein Unternehmen, eine kritische Größe zu erreichen, um innovativ sein zu können. Das sagt Thierry Wolter, Vorstandsmitglied der Ceratizit-Gruppe. Die rasante Entwicklung geht weiter. In den vergangenen drei Jahren sind allein in Deutschland drei Unternehmen unter das Dach der Luxemburger geschlüpft, weltweit fünf seit 2015. Damit hat Ceratizit auch im Ranking am Weltmarkt einen Schritt nach vorne getan. Über Entwicklung und Strategie von Ceratizit sprach Georg Dlugosch, Chefredakteur IndustryArena eMagazine, mit Thierry Wolter.

Wie entwickelt sich der Markt für harte Stähle?

Wolter: Der Markt für Hartbearbeitung entwickelt sich gut, wenn auch nicht so dynamisch wie bei anderen Materialien. Das Wachstum bei Titan oder Leichtbaumaterialien ist stärker. Bei Hartmetall handelt es sich um einen stabilen Markt, der auch in Zukunft seinen Stellenwert behalten wird. Deshalb hat Ceratizit das Thema Hartbearbeitung und keramische Schneidstoffe schon vor einigen Jahren auf die Agenda gesetzt. Zuerst haben wir intern solche Produkte entwickelt. Ende 2016 hat Ceratizit die Firma Becker Diamantwerkzeuge gekauft, um die Produktpalette zu erweitern und um im Segment ein größerer Anbieter zu werden. Auf der einen Seite mit CBN – kubisches Bornitrid – sowie PKD – polykristalliner Diamant – und auf der anderen Seite mit unserer Kompetenz in der Beschichtung sind wir für die Zukunft gerüstet, um eine noch bessere Hartbearbeitung anzubieten.

Wie sind die Marktanteile verteilt?

Wolter: Die Hartbearbeitung ist eine wichtige Nische im Markt. Ihre Bedeutung bleibt konstant. Andere Materialien haben allerdings eine höhere Wachstumsrate als Stähle.

Wie groß ist der Weltmarkt?

Wolter: Der Markt für die Bearbeitung gehärteter Metallwerkstoffe hat derzeit ein Volumen von 2,8 Milliarden Euro. Für die kommenden Jahre gehen wir von einem weiteren Wachstum aus.

Welche Bereiche sind für Ceratizit aktuell besonders interessant?

Wolter: Ceratizit hat sich in den vergangenen Jahren auf schwer zu bearbeitende Materialien fokussiert. Dazu gehören Titan, rostfreie Stähle, mittlerweile auch die Verbundwerkstoffe CFK und GFK. Die Verbundwerkstoffe werden zum Beispiel im Flugzeugbau und beim Leichtbau benötigt. Intern hatten wir dazu spezielle Entwicklungsprojekte. Über Zukäufe, beispielsweise den Spezialisten für Sonderlösungen bei Vollhartmetall-Rundwerkzeugen Klenk in Balzheim und mit eigenen Lösungen, wollen wir in zukunftsträchtigen Domänen Fuß fassen und ein breiteres Standbein bekommen.

In diese Reihe zählt auch die Übernahme von Komet?

Wolter: Die Übernahme von Komet passt in diese Strategie. Es handelt sich um ein sehr traditionsreiches Unternehmen mit einer hohen Reputation. Das Unternehmen ist ein wichtiger Marktteilnehmer weltweit. In diesem Jahr werden wir gemeinsam 100 Jahre Komet feiern. Das zeigt die große Tradition in Besigheim. Komet hat seine Stärke im Bohren. Das ergänzt die Stärken von Ceratizit im Fräsen, Drehen und Stechen. Für Bohrungen hatten wir nur ein kleineres Programm. Die Übernahme von Komet ist eine sehr gute Abrundung unseres Portfolios.

Hatten Sie also auf Komet schon länger ein Auge geworfen?

Wolter: Wir haben natürlich schon länger ein Auge auf Komet geworfen, weil es für uns der optimale Partner ist. Schon im Jahr 2006 habe ich mit ihnen Kontakt aufgenommen und eine stärkere Kooperation gesucht. Eine Beteiligung kam damals allerdings nicht zustande. Unsere Beziehung hat sich dennoch gefestigt. 2013 hat sich Komet entschieden, in die Hartmetallbearbeitung einzusteigen. Das haben wir als Anfang einer Kooperation gewertet und Komet geholfen, Hartmetall zu fertigen. Vor einem Jahr kam der Anruf, dass die Stiftung entschieden hätte, einen Partner zu suchen, weil Komet eine kritische Größe im Markt erreichen wollte. Dann wurde exklusiv verhandelt, weil Ceratizit über Jahre gezeigt hatte, dass beide Partner zueinander passen. Die Kulturen der Unternehmen sind sich sehr ähnlich, und wenn man ein Unternehmen verkauft, dann will man sicherstellen, dass die Kultur beibehalten wird. Komet hat beispielsweise Filialen in Amerika, Korea oder Japan. Wir auch. Der Unterschied ist natürlich, dass Ceratizit diese Strukturkosten mit einem viermal so hohen Umsatz abfedern kann.

Wie wirkt sich die Übernahme auf das Ranking in der Branche aus?

Wolter: Ceratizit ist unter die Top Fünf weltweit aufgestiegen. Das können wir auch noch ein bisschen steigern. Die ersten drei sind ein ganzes Stück voraus, aber wir haben im vergangenen Jahr sehr gut aufgeholt.

Welche Strategie verfolgt Ceratizit?

Wolter: Größe ist nicht alles. Bei Ceratizit steht nicht die Größe an sich im Vordergrund. Das Ziel ist es, genügend Größe zu haben, um innovativ sein zu können. Trotz der Größe, die wir haben, wollen wir flexibel und schnell agieren können. Wir splitten das Geschäft in kleine Einheiten, die flexibel bleiben und spezifisch nach dem Kundennutzen konzentrieren. Deshalb haben wir sowohl im Verschleiß wie in der Zerspanung Geschäftsbereiche mit eigener Forschung und Innovation. Jede kleine Einheit hat ihre ganz spezifische Mission und muss sich darauf konzentrieren. Auf der anderen Seite können wir von der Größe der Gruppe profitieren, wenn es um Grundlagenforschung, Rohstoffe oder große Innovationsprojekte geht. Die richtige Mischung zwischen Größe und Flexibilität ist eine Gratwanderung.

Ceratizit fertigt verschleißfeste Werkzeuge und Bauteile. Welcher Bereich macht Ihnen aktuell am meisten Freude?

Wolter: An sich ist der Zerspanungsmarkt der größte Teil. Er macht zwischen 75 und 80 Prozent vom Markt aus. Er wächst, aber am Horizont zeigen sich Wolken. Wenn beispielsweise die E-Mobilität kommt, dann werden am Markt 20 Prozent der Zerspanung fehlen. Der Verschleißmarkt ist ein Sammelsurium vieler unterschiedlicher Bereiche, von der Windenergie über Öl und Gas und Automotive bis zur Medizintechnik. Dieser Bereich ist kleiner und sehr zersplittert. Allerdings gibt es einige Anwendungen, die sehr interessant sind. Das 80:20-Verhältnis wird sich in den kommenden 20 Jahren ändern. Darauf muss man sich vorbereiten. Da kann man tolle Produkte entwickeln. Ein Beispiel: Für verschleißfeste Materialien gibt es viele Anwendungen, von Hygienewalzen über Dentalbohrer bis zur Dosenproduktion. Das macht das Geschäft auch prickelnd.

Haben Sie die komplette Prozesskette bei der Herstellung von Hartmetall im Haus?

Wolter: Unser Angebot ist wohl eines der komplettesten am Markt. Über unsere Schwestergesellschaft GTP haben wir Zugriff auf Wolfram aus westlichen Minen und machen daraus unser eigenes Wolframkarbid. Von da aus übernehmen wir die gesamte Prozesskette von der Pulveraufbereitung bis zur Formgebung. Auch die Beschichtung oder das Thema Recycling werden bei uns groß geschrieben. Es gibt ein paar Wettbewerber, die so integriert sind wie wir. Wenige haben allerdings von der Mine bis zum fertigen Werkzeug alles im Zugriff.

Wie wird sich der Markt für Ressourcen entwickeln?

Wolter: Das Thema Rohstoffe wird uns begleiten. Es gibt zwei Hauptrohstoffe in der Hartmetallfertigung. Der eine ist Wolfram. Drei Viertel der Menge kommen aus China – mit allen Implikationen. Wir versuchen, beim Rohstoff über Recycling und Kauf aus westlichen Minen eine gewisse Unabhängigkeit zu bekommen. Von der Tonnage her gehören wir zu den ganz Großen weltweit. Der zweite Rohstoff ist Kobalt. Der Preis dafür hat sich verdoppelt, und er wird weiter steigen. Kobalt wird auch in Batterien verwendet und deshalb von der Elektromobilität stark nachgefragt.

Gibt es bei Ceratizit noch Lücken in der Prozesskette?

Wolter: Im Hinblick auf die Zerspanung haben wir uns mit Komet und dem Bereich Bohren mittlerweile sehr gut aufgestellt. Da sind wir zu einem Komplettanbieter geworden. Beim Thema Verschleiß gibt es ein paar Anwendungen, die wir noch komplettieren wollen, deshalb sind wir offen für Akquisitionen. Allerdings müssen der technische und der kulturelle Aspekt zusammenpassen. Wir haben eine gute Bilanz bei den Akquisitionen. Das soll auch so bleiben. Denn die Werke wie Günther Wirth, Klenk und Becker Diamantwerkzeuge in Deutschland sind zufrieden. Da würden die früheren Eigentümer sagen, dass die Übernahme eine gute Sache war. Wenn wir etwas kaufen, dann wollen wir nicht rationalisieren, sondern wachsen und zwar schneller als der Wettbewerb.

Haben Sie schon einen Bereich identifiziert, der als nächstes gestärkt wird?

Wolter: Natürlich gibt es dazu Gedanken, aber mit Komet müssen wir jetzt zuerst unsere Hausaufgaben machen.

Wie sieht die Markenarchitektur bei Ceratizit aus. Streben Sie eine Vereinheitlichung an?

Wolter: Wir kommen von einer sehr dezentralistischen Markenarchitektur. Mit den Zukäufen auch in den USA müssen wir eine globale Markenstrategie aufstellen. Mit Komet ist eine weitere Topmarke dazugekommen. In den nächsten Monaten wird sich das entscheiden. Wir sind eine Familie und wollen mit einer Sprache sprechen, denn der Kunde soll wissen, dass das Gruppen-Know-how dahintersteckt, wenn er von uns kauft.

Wie geht es jetzt in der Gruppe weiter?

Wolter: Ein wichtiger Schritt in den nächsten Jahren sind die Themen Internationalisierung und Innovationsstärke. Wir sind derzeit sehr europalastig. Das hat eine gute und eine schlechte Seite. Deutschland ist das Zugpferd. Darüber freuen wir uns. Aber wir sollten auch in Richtung Asien und Amerika schauen. Die Gefahr einer Abschottung ist ja zu erkennen.

Was ist das Erfolgsgeheimnis von Ceratizit?

Wolter: Ich schätze, dass wir zu den Unternehmen gehören, die am meisten investieren. Das ist auch möglich, weil Ceratizit ein Privatunternehmen und nicht an der Börse notiert ist. Wir können mit längerfristiger Strategie investieren. Zudem haben wir über 200 Experten in Forschung und Entwicklung. Da spielen wir sicher in der Champions League. Ein sehr wichtiger Punkt sind die Menschen. Wir haben bei Ceratizit ein arbeitsintensives Jahr hinter uns und sind in den vergangenen Jahren schnell gewachsen. Die Basis sind die Mitarbeiter. Wir ziehen gerne gute junge Leute heran und bilden sie aus für Führungspositionen. Bei der Besetzung dieser Stellen sollen acht von zehn intern besetzt werden. Das ist ein Erfolgsfaktor, um den Mitarbeitern Freiraum und Entfaltungsmöglichkeiten und längerfristige Perspektiven zu geben. Bei uns ist Kontinuität angesagt, auch wenn sich sonst alles schnell ändert. Als privat geführtes Unternehmen können wir uns das leisten.

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Thierry Wolter

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PR & Content Manager
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