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Datenaustausch bis zur Spannvorrichtung

Der Einsatz von Sensorik in der Spanntechnik nimmt zu. Häufig können unterschiedliche Technologien jedoch nicht miteinander kommunizieren, weil die Schnittstellen fehlen. Die Umsetzung von Industrie 4.0 ist jedoch ohne elektronischen Datenaustausch zwischen Maschine, Werkzeug, Werkzeughalter und Werkstückspannung nicht möglich. Deshalb treibt der VDMA ein Projekt zur Standardisierung der Werkstückspanntechnik voran.

„Ohne Standards für den elektronischen Datenaustausch ist Industrie 4.0 nicht denkbar“, sagt Thomas Breuning, Obmann im DIN-Normenausschuss für Werkzeuge und Spannzeuge (FWS). Seit 2002 arbeitet er an Standards zur Beschreibung von Werkzeugen mittels Sachmerkmalen. Ziel dieser Arbeit ist die Entwicklung von Teilen der Normenreihe DIN 4000, um zum Beispiel Schneidplatten, Bohrer, Fräser, Verzahnungswerkzeuge oder Schleifscheiben so zu beschreiben, dass diese Werkzeuge in Werkzeugdatenbanken suchbar werden.

Bei der Bestellung eines Werkzeugs sollte der Hersteller in der Lage sein, neben dem physikalischen Bauteil einen fix definierten Datensatz zur Beschreibung des Werkzeugs mitzuliefern. Da neben den Sachmerkmalen auch 3D-CAD-Modelle der Werkzeuge für die CNC-Programmierung und CNC-Simulation gebraucht werden, wurde 2011 die Normenreihe DIN 4003 gestartet. Sie macht Vorgaben zur Modellierung der Werkzeuge in 3D, zur Ausrichtung der Zusammenbauvorschriften und zur Unterscheidung von CUT und NOCUT.

Mit den Masterarbeiten von Fabian Schertel [1] und Thiemo Käser [2], die in DIN 4000/4003-210 überführt sind, wird die Basis für die Beschreibung von Werkzeugmaschinen gelegt (Thiemo Käser: Methode zum Technologie- und Wissenstransfer zur Bereitstellung von 3D-CAD-Modellen am Beispiel der featurebasierenden NC-Programmierung; Morsak-Verlag 2014. Fabian Schertel: 2D-Daten und 3D-Modelle in der NC-Prozesskette; FH Regensbug, Morsak-Verlag 2012).

3D-CAD-Datenaustauschmodell Werkzeugmaschine. Foto: Käser

Mit diesen zwei Normteilen und allen anderen Teilen der Normenreihe DIN 4000/4003 ist nun fast die komplette CAM-Baugruppe beschreibbar. Die Daten von der Schneide bis zum Werkzeughalter inklusive der Werkzeugstückliste können auf Basis der Standards nach DIN 4000-102 und DIN 26100 ausgetauscht werden. Gleiches gilt für die Werkzeugmaschine und ihren 19 Unterbaugruppen wie Achsen, Werkzeugwechsler und Werkstückträger.

Ein wichtiger Baustein in der CAM-Baugruppe hat bisher gefehlt – die Werkstückspannvorrichtung. Diese Lücke wird nun mit den Normenteilen DIN 4000-190 und DIN 4003-190 geschlossen. Der VDMA koordiniert zusammen mit dem DIN die Schließung dieser Beschreibungslücke, berichtet VDMA-Experte Bernt Ritz.

3D-CAD-Modell einer werkstückspezifischen Spannvorrichtung nach DIN 4003-190. Foto: Dellert

Die inhaltliche Ausarbeitung dieser Normenteile ist Bestandteil zweier Masterarbeiten. Christopher Saal und Stefan Dellert haben in ihren Abschlussarbeiten zusammen mit der Digitalisierungsforschungsgruppe (CT REE MDM DMT) von Siemens in München und verschiedenen Herstellerfirmen die detaillierten Standards ausgearbeitet und weitestgehend abgeschlossen (Christopher Saal: Entwicklung neuer Methoden zum standardisierten Aufbau von 3D-CAD Spannmitteln. Technische Hochschule Nürnberg, Masterarbeit 2018. Stefan Dellert: Entwicklung einer Methode für die 3D-Beschreibung von Spannvorrichtungen. Technische Hochschule Nürnberg, Masterarbeit 2019). Beide Normen sind nun als Entwürfe DIN 4000-190 und DIN 4003-190 veröffentlicht und allgemein zugänglich, berichtet Maike Gottschalk vom DIN-Berlin.

Die Normen enthalten alle Grundformen einer Werkstückspannvorrichtung – von der Maschinenaufnahme bis zum Spannelement – mit allen relevanten Einstellmaßen, Trennstellen und Stücklisteninformationen. Es wird zwischen verschiedenen Grundformen von Spannvorrichtungen und Grundvorrichtungen sowie Baukastensystemen unterschieden.

2D-Darstellung einer Spannvorrichtung. Foto: Saal

In DIN 4000-190 werden diese Spannvorrichtungen mittels Sachmerkmalen eindeutig beschrieben. Diese Sachmerkmale können nach in DIN 4000-102 festgelegten xml-Schema (siehe DIN 4000-102) zwischen Hersteller und Anwender ausgetauscht werden. Die Verwendung der Sachmerkmale wird in Beispielgrafiken verdeutlicht und dargestellt. In Zuordnungstabellen werden die Merkmale den jeweiligen Ausprägungen der Spannvorrichtung, je nach deren Gewichtung als „mandatory“, „conditional“ oder „optional“ zugeordnet – daher weiß jeder Anwender, welche Merkmale im Lieferumfang vom Hersteller enthalten sind.

In DIN 4003 werden die grundlegenden Regeln zum Aufbau der 3D-CAD-Modelle (Baugruppe der Spannvorrichtung) beschrieben. Dabei werden für Spannvorrichtungen die Sachmerkmale aus DIN 4000-190 herangezogen und um weitere Informationen ergänzt, die zur Modellierung erforderlich sind.

Im Rahmen der 3D-Modellbeschreibung in DIN 4003-190 wird das Objekt so beschrieben, dass es im CAM-CMM-Prozess einsetzbar ist. Es werden also Volumenmodelle mit der Störkontur, den Zusammenbaubedingungen (in Form von Koordinatensystemen) und die Farbe der jeweiligen 3D-CAD-Objekte festgelegt. Die Zusammenbauvorschrift, das heißt, die Koordinatensysteme „CSW“ und „MCS“ werden der jeweiligen Stücklistenposition zugeschrieben. Diese Methode ermöglicht mit intelligenten PDM- oder FDM-Systemen auch einen automatisierten Zusammenbau der Einzelteile. Die Modellierung erfolgt dabei „so abstrakt wie möglich und so detailliert wie nötig“, sagt DIN-Betreuerin Maike Gottschalk, um Firmen-Know-how zu schützen.

Die Entwürfe zu DIN 4000-190 und DIN 4003-190 sind vor kurzem veröffentlicht worden und schließen die Lücke für den Datenaustausch „von der Werkzeugmaschine zur Schneide und zum Werkstück“, so Thomas Breuning vom DIN-Arbeitsausschuss.

Im nächsten Schritt werden die Spannelemente (Spannbacken und Mitnehmerringe), die einen wesentlichen Anteil am Datenaustausch haben, neutral nach DIN mit Sachmerkmalen beschrieben. Eine Bachelor-Thesis von Philipp Fischer, die bei Siemens in Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Nürnberg, namhaften Herstellern wie Schunk, Römheld und dem DIN entsteht, wird die Grundlage dafür legen.

Titelbild: Schunk

Auszug aus der Tabelle zur Definition der Sachmerkmale. Bild:Saal
Stückliste für den Datenaustausch einer Spannvorrichtung. Bild: Dellert
Datenaustausch Spannvorrichtung

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