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Wie KI die Produktion revolutioniert
Künstliche Intelligenz (KI) wird zur Schaltzentrale effizienter, nachhaltiger und wettbewerbsfähiger Fertigung. KI hat Einzug in Werkzeugmaschinen gehalten und verändert bereits Produktion und Wartung von Maschinen. In Zeiten von Fachkräftemangel und internationalem Konkurrenzdruck ist sie weit mehr als nur ein technologisches Feature – sie wird zur Überlebensstrategie. Wie KI die industrielle Produktion revolutioniert, wird während der EMO Hannover 2025, der Weltleitmesse für Produktionstechnologie, vom 22. bis 26. September zu sehen sein.
KI in Werkzeugmaschinen bedeutet weit mehr als Automatisierung. Sie ermöglicht Maschinen, aus Daten zu lernen, Entscheidungen zu treffen und Prozesse zu optimieren. Dabei kommen Sensorik, Datenanalyse, maschinelles Lernen und intelligente Assistenzsysteme zum Einsatz – auf Steuerungsebene ebenso wie in der Interaktion mit dem Menschen.
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Spezielle KI-Potenziale heben
Für produzierende Unternehmen gibt es viele Einsatzmöglichkeiten von KI: „Typische
Beispiele sind die Prognose von Prozesseigenschaften im Echtzeitbetrieb zur Inline-
Qualitätskontrolle und das Überwachen von Prozessen sowie deren Eigenschaften“,
sagt Prof. Philipp Klimant, Geschäftsfeldleiter Prozessdigitalisierung und
Fertigungsautomatisierung am Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und
Umformtechnik (IWU) in Chemnitz. „Der Vorteil gegenüber klassischen Ansätzen ist die
Möglichkeit, besonders viele Parameter in die Überwachung mit einzubeziehen“, hebt
Klimant hervor.
Es gibt zahlreiche weitere Anwendungsfelder, etwa KI-Assistenzmodelle für Schulungen
und KI zur Unterstützung bei Wartungen. Das Fraunhofer IWU, das sich auf die
produktionstechnische Anpassung von klassischen und modernen Verfahren des
Maschinellen Lernens spezialisiert hat, wird von Martin Dix, Welf-Guntram Drossel und
Steffen Ihlenfeldt geleitet. Alle drei sind Mitglieder der WGP (Wissenschaftliche
Gesellschaft für Produktionstechnik), einem Zusammenschluss deutscher
Professorinnen und Professoren der Produktionswissenschaften.
Die WGP hat seit Jahresbeginn die ursprünglich vom Bildungsministerium geförderte
Initiative ProKI unter ihrem Dach verstetigt und bietet seither praktische Expertise und
Demonstratoren insbesondere für kleinere und mittelständische Unternehmen an, die
sich über ihre individuellen KI-Potenziale informieren wollen und Unterstützung suchen.

Durch KI lassen sich in der Produktion teilweise Rüstzeiten um 60 Prozent senken, Ausschuss deutlich reduzieren und Werkzeugstandzeiten verlängern. Jonas Gillmann, Vorstand Technik (CTO) des Fräsmaschinenherstellers Datron, erkennt eine höhere Prozesssicherheit. Foto: Datron
Großer Hebel für Effizienzgewinne
Ganz zu Beginn, so der Tipp Klimants, sollte man sich fragen: Wie hoch sind eigentlich
die Effizienzgewinne, die durch KI in meiner Produktion möglich sind? „Die Frage nach
möglichen Effizienzgewinnen lässt sich nicht ohne Weiteres allgemeingültig
beantworten “, sagt der IWU-Forscher.
Das Potenzial sei stark vom eigentlichen Prozess und den damit einhergehenden
Optimierungsmöglichkeiten abhängig. „Im Bereich der Kunststoffverarbeitung, denken
Sie an Spritzguss, können in seltenen Fällen durchaus Ausschussquoten von 20 bis 30
Prozent vorkommen.“ Hier sei ein großer Hebel für Effizienzgewinne mit KI. Bei
Prozessen, die bereits stabil laufen, kann sie ebenfalls nützlich sein, beispielsweise für
vorausschauende Wartung und um längere Werkzeugstandzeiten zu erzielen.
Laut Klimant kann KI auch einen wichtigen Beitrag leisten, um dem Fachkräftemangel zu
begegnen. „Wir speichern Wissen implizit in der KI. Dieses Wissen kann zum Anlernen
von neuen Mitarbeitenden genutzt werden, gerade dann, wenn ältere Kolleginnen und
Kollegen in Ruhestand gehen und damit wichtiges Wissen das Unternehmen verlässt“,
erklärt der Wissenschaftler, der seit 2023 auch als Professor für Virtuelle Technologien
an der Hochschule Mittweida in Sachsen tätig ist. „Dieser KI-Wissensspeicher bietet
darüber hinaus auch neue Chancen zur Automatisierung, nicht zuletzt für
automatisierte Qualitätskontrollen“, berichtet Klimant.
KI definiert der Forscher dabei so: „Wenn wir über KI sprechen, meinen wir in der Regel
das Maschinelle Lernen als Untergruppe der KI. Dieses ist in der Lage, selbstständig aus
Trainingsdaten zu lernen. Dabei geht es um ein empirisches Verfahren, das
Zusammenhänge lernt, ohne dass wir die analytischen Zusammenhänge kennen.
Einfach gesagt, wir lernen aus Erfahrung.“
Durch KI werden in der Produktion die Prozessparameter optimiert und durch ein
automatisiertes Regelungssystem in die Prozesssteuerung zurückgeführt. „KI ist wie
eine Blackbox, es gehen Eingangswerte rein und Prognosen kommen raus“, schildert
Klimant den Vorgang. „Als Beispiel kann ein Umformprozess genannt werden, bei dem
wir ein akustisches Signal messen, und die KI sagt uns, ob der Prozess erfolgreich war
oder nicht.“ Am Ende sei es ein digitales System, das sich über vorhandene
Schnittstellen an Steuerungen anbinden ließe. Dadurch könne KI Regelalgorithmen an
verschiedenen Stellen beeinflussen.
Hohe Rechenleistung
Damit KI in der Produktion erfolgreich eingesetzt werden kann, ist mitunter Hardware
mit sehr hoher Rechenleistung nötig. „Zunächst gilt es, zwischen der Trainings- und der
Nutzungsphase (Inferenz) zu unterscheiden. Die Trainingsphase ist immer
rechenintensiver, wird jedoch offline durchgeführt. Bei der Nutzungsphase reichen für
klassische Verfahren wie die Support Vector Machine oft Edge Devices aus“, sagt
Klimant.
Anders verhalte es sich beim Thema Bildverarbeitung. Diese KI-Modelle benötigten
mehr Rechenleistung, sowohl in der Trainings- als auch in der Nutzungsphase. „Der
Anwendungstakt spielt hierbei ebenfalls eine entscheidende Rolle“, erklärt der Forscher.
„Benötige ich beispielsweise alle fünf Sekunden ein Ergebnis, werde ich mehr
Rechenleistung brauchen im Vergleich zu einer Taktzeit von 30 Sekunden.“
Ausgenommen ist hierbei die Auswertung von Sprachmodellen. Diese benötigen
rechenstarke Hardware, angefangen bei leistungsstarken Consumer-Grafikkarten bis hin
zu speziellen KI-Karten.

Das Dashboard zeigt den Einsatz eines KI-Modells zur punktuellen Prognose der Härte beim Presshärte-Prozess. Zu sehen sind die Eingangswerte von den Sensoren (grüne Kurven) sowie rechts die Härteprognose für drei Stellen am Werkstück. Im unteren Bereich (gelbe Kurven) macht das System Optimierungsvorschläge für den Prozess. Quelle: Fraunhofer IWU
Selbstlernende Werkzeugmaschine
Mit KI wird die selbstlernende Werkzeugmaschine möglich. Der Fräsmaschinenbauer
und EMO-Aussteller Datron AG aus Ober-Ramstadt bei Darmstadt setzt auf die
Innovation, bei der die Maschine auf erlerntes Wissen zurückgreift und den
Produktionsprozess anpasst.
Die Datron-Fräsmaschine soll sich zur lernfähigen Fertigungszelle entwickeln, die sich
automatisch an Bauteilanforderungen und Umgebungsbedingungen anpasst. „Damit
senken wir nicht nur Rüst- und Bearbeitungszeiten, sondern steigern auch die
Prozessstabilität – ein entscheidender Schritt in Richtung autonomer Fertigung“, sagt
Jonas Gillmann, Vorstand Technik (CTO) des Maschinenbauers.
KI verschiebt den Fokus weg von starrer Programmierung hin zu assistierter, lernender
und adaptiver Fertigung. „Maschinen werden zu Partnern im Fertigungsprozess, die sich
dem Menschen anpassen – nicht umgekehrt. Im Maschinenbau ist das keine Vision
mehr, sondern wird zunehmend zur gelebten Praxis“, sagt Gillmann.
KI in der Produktion lockt Gillmanns Worten zufolge mit hohen Effizienzgewinnen:
„Durch sie lassen sich in der CNC-Produktion mit Datron-Maschinen Rüstzeiten um bis
zu 60 Prozent senken, Ausschuss deutlich reduzieren und Werkzeugstandzeiten
verlängern – bei gleichzeitig höherer Prozesssicherheit.“
Intuitiv durch den Fräsprozess
Ein besonders spannender Fortschritt sei die Verknüpfung mit der Datron-Next-
Steuerung, sagt Gillmann. Sie führe auch unerfahrene Bediener intuitiv durch den
Fräsprozess und erkenne Werkstücke automatisch.
„So können auch nicht spezialisierte Mitarbeitende produktiv fräsen – ein klarer Vorteil
angesichts des Fachkräftemangels“, so der Datron-Technikvorstand. Zusätzlich erlaube
KI künftig eine vorausschauende Wartung, um Ausfälle zu verhindern, bevor sie
entstünden. „So wird der Fräsprozess effizienter, robuster und personell deutlich
flexibler umsetzbar.”
KI in Werkzeugmaschinen kann nicht zuletzt dabei helfen, die steigende Nachfrage nach
kundenspezifischen Produkten mit kleinen Losgrößen zu bedienen. „KI macht die
Fertigung kleiner Losgrößen wirtschaftlich. Mit der Datron-Next-Steuerung werden
Werkstücke automatisch erkannt – ohne aufwendige Programmierung“, betont
Gillmann. „So entfallen lange Rüstzeiten, und auch Einzelteile können schnell, effizient
und in hoher Qualität gefertigt werden – ideal für kundenindividuelle Produkte.“
Weniger programmieren
Mit der selbstlernenden Werkzeugmaschine wandelt sich auch das Berufsbild des Anwenders: „Weniger programmieren, mehr Prozessverantwortung“, bringt es der Datron-CTO auf den Punkt. Mitarbeitende würden zu Prozessgestaltern, die Qualität sicherten und Abläufe optimierten. „So sinkt die Einstiegshürde, und Know-how wird durch smarte Assistenz ergänzt – nicht ersetzt.”
Kontakt
Sylke Becker
Leiterin Kommunikation
VDW – Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken e. V.
Frankfurt am Main
Tel. +49 69 75 60 81-33
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