Christoph Hauck

Toolcraft AG

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Mit additiver Fertigung in der Serie erfolgreich

Die additive Fertigung bei Toolcraft stellt die industrielle Reife für den Einsatz in der Serienfertigung unter Beweis. Christoph Hauck, 46, Vorstand Technologie und Vertrieb der Toolcraft AG, gibt im Gespräch mit dem IndustryArena eMagazine einen Einblick zu den wichtigsten Trends der additiven Fertigung und den Entwicklungen am Markt. Das Unternehmen ist Dienstleister und Berater für Fertigungstechnologien in den Branchen Luft- und Raumfahrt, Medizin- und Halbleitertechnik mit viel Flexibilität auch für andere Industriezweige.

Wie ist die Lage bei Toolcraft?

Hauck: Von Krise ist glücklicherweise im Moment nichts zu spüren. Wir haben sehr volle Auftragsbücher mit den üblichen Konsequenzen wie fristgerechte Lieferzeiten. Wir haben viele offene Stellen und finden für jeden Interessenten definitiv ein Plätzchen. Der Mensch steht bei uns im Unternehmen im Vordergrund. Wir sind trotz 450 Mitarbeitern noch alle per Du.

Auf dem Gebiet der additiven Fertigung gibt es viele Neuerungen. Was sind Ihrer Ansicht nach die interessantesten?

Hauck: Vor kurzem ist die Fachmesse für additive Fertigung TCT Asia in Shanghai zu Ende gegangen. Wir sehen, dass die Chinesen mit ihrer Strategie 2025 sehr viel Gas geben in dem Sektor. Es gibt mittlerweile Anlagen mit 16 Lasern und optional 25 Lasern in einer Anlage. Das ist im westlichen Raum leider nicht sichtbar. Für Toolcraft ist Hochgeschwindigkeits-LMD, also hochdynamisches Laserauftragschweißen, ein sehr spannendes Technologiefeld, das wir vor kurzem installiert haben. Wir haben bei uns einen Additiv-Subtraktiv-Roboter entwickelt und aufgebaut, mit dem wir sowohl Pulver und zukünftig auch Draht mittels Laser auftragen können und über ein Konnektorsystem sehr schnell auf eine abtragende Motorspindel wechseln können.

Arbeitet diese Anlage ähnlich wie ein CNC-Laser-Bearbeitungszentrum?

Hauck: Während es klassische Maschinenhersteller beispielsweise auf einem bewährten Dreh-Fräszentrum umsetzen, nutzen wir einen 6-Achs-Roboter der neuesten Generation. Wir gehören zu den Integratoren. Advanced Robotics ist für uns ein sehr interessanter Trend. Hierzu gehört auch ein Zerspanroboter, den wir entwickelt und bei uns installiert haben. Mit einer Sondermaschine, einer modifizierten TruLaser Cell 3000 von Trumpf, die wir nutzen, lassen sich nicht alle Größen fertigen. Deshalb der Ausweg auf die industriell einsetzbare Roboterzelle. Dafür hatten wir sofort Einsatzmöglichkeiten. Wenn der Markt daran Gefallen findet, dann darf er die Roboterzelle beziehungsweise Derivate davon auch als Lösung erwerben.

Welche Trends erkennen Sie?

Hauck: Im Bereich Multimaterialeinsatz von Metallen scheint es gute Anlagenentwicklungen im Bereich Pulverbett zu geben. Man kann bis zu drei Metalle in einer Schicht verarbeiten. Vom Werkzeugstahl über Kupfer bis zu möglicherweise Keramik alles vereint in einem Bauteil. Weniger Einblick habe ich bei der gedruckten Elektronik. Dort hört man ebenfalls von besonderen Entwicklungen. Oder Sonderprozesse wie Cold-Metal-Fusion, eine sinterbasierende additive Fertigung finde ich sehr spannend.

Der Markt verzeichnet zweistellige Wachstumsraten laut dem Wohlers Report, während die industrielle Entwicklung stagniert. Wie ist die Einschätzung der Marktentwicklung durch die Toolcraft-Analysten?

Hauck: In der additiven Fertigung sind wir seit 2011 tätig. Diese Fertigungstechnologie gehört seitdem ganz klar zum Unternehmen. Wir haben rein in den metallischen 3D-Druck knapp 23 Millionen Euro investiert. Pulverbett- und Pulverdüsentechnologien standen bisher im Fokus. Als nächstes werden wir uns mit dem Draht als Betriebsmittel beschäftigen. Das erscheint mir als wichtiges Steckenpferd für die Zukunft und logische Ergänzung. Wenn ich den Stand der additiven Fertigung mit der Zerspanung vergleiche, dann sind wir auf dem Level vor drei Jahrzehnten – also auch schon auf einem sehr guten Niveau. Allerdings flacht die Weiterentwicklung der Zerspanung ab – man kann beispielsweise die nächsten Jahre von der Schneidstoffentwicklung her nicht doppelt so produktiv werden, während die additive Fertigung viel Weiterentwicklung in den Systemen zeigt. Die industrielle Reife ist vorhanden. Das ist für uns das Signal, dass wir diese Technologie weiter ausbauen.

Wie sehen die wirtschaftlichen Prognosen aus?

Hauck: Zweistellige Wachstumsraten haben wir im Unternehmen – sowohl bei der additiven Fertigung wie auch insgesamt. Allerdings haben wir keinen Fokus auf das „Prototyping“, sondern wir versuchen, über das Einzelteil zur belastbaren Serienfertigung zu kommen. Und wir sind nicht auf spezielle Branchen festgelegt, sondern offen für neue Herausforderungen. Denn die additive Fertigung bringt auch für nachhaltige Produktion wichtige Impulse mit.

Setzen Sie auch künstliche Intelligenz ein?

Hauck: Wir sind ein mittelständisches Unternehmen. Dadurch können wir in Deutschland von Fördergeldern profitieren, die wir mit wissenschaftlichen Instituten in Forschungsprojekten umsetzen. Nicht alles im Bereich KI lässt sich bereits belastbar anwenden, aber besonders beim Prozess-Monitoring sehen wir sehr viel Potenzial.

Wo steht Deutschland im Vergleich?

Hauck: Hier in Deutschland bremst uns nicht nur eine starke Bürokratie, sondern auch eine starke staatliche Unterstützung in diesem zukunftsweisenden Technologiefeld. Leider können beispielsweise die USA mit den Fördergesetzen und auch China stark vorankommen. Deutschland als ehemals führendes Land nach Zahl der Hersteller und auch der Dienstleister wird dadurch überholt. Das hängt sicherlich auch von der schieren Größe der beiden Staaten ab.

Das Unternehmen setzt neuerdings eine Vierfach-Laser-Anlage ein und steigert damit die Produktivität. Wo sehen Sie das Ende der Entwicklung?

Hauck: Prinzipiell ist die Summe der Lasersysteme nach oben offen, aber man muss berücksichtigen – viel hilft nicht immer viel. Wir machen High-Performance-Additive. Da geht es um die Frage, welches Gefüge wir erzeugen. Es muss auch der Nachweis erbracht werden, ob sich die Investitionskosten auszahlen. Zudem muss das Verhältnis berücksichtigt werden. Wenn ich mit 25 Lasern auf wenig Fläche „schieße“, dann werde ich sicher Schiffbruch erleiden, weil ich ein Gefüge erzeuge, das nicht akzeptabel ist und das dynamischen Belastungen nicht dauerhaft Stand halten kann. Deshalb müssen wir das Gesamtsystem bewerten. Die nächste Anlage, die wir kaufen, wird eine Zwei-Laser-Anlage werden, also nicht unbedingt noch mehr Leistung. Denn für die Art Serien, die wir darauf fertigen, ist eine Drei-Strahl-Laseranlage im Nachteil. Es hängt vom jeweiligen Anwendungsgebiet ab – sowohl beim Design wie auch beim Werkstoff. Wenn ich stattdessen eine Guss-Substitution plane mit Aluminiumlegierungen und möglichen einhergehenden und aktzeptablen Porositäten, dann kann ich mit Multilaseranlagen den Einstieg schaffen.

Wo sehen Sie die interessanten Anwendungen?

Hauck: Die Vierfach-Anlage setzen wir im Bereich des Materials AlSi10Mg ein. Das Ergebnis soll teilweise auch Guss in geringen Stückzahlen und hoher Komplexität substituieren.

Welche Verbindung zwischen additiver Fertigung und PLM, also Product Lifecycle Management, gibt es?

Hauck: Rein mit der additiven Fertigung ist es nicht getan. Diese dient praktisch zur Herstellung eines Halbzeugs, das aber für die Kunden als einbaufertiges Produkt nicht geeignet ist. Deshalb haben wir die Symbiose aus additiver Fertigung und zerspantechnischer „Veredelung“ entwickelt. Wir bearbeiten bestimmte Bereiche des additiv gefertigten Bauteils nach, um innerhalb der kritischen Toleranzwerte zu kommen. Das ist eine sehr komplexe Fertigung. Wir beginnen im CAD. Dann folgt der Prozessbaustein additive Fertigung. Anschließend geht das Teil ins CAM, das Computer Aided Manufacturing, für die Zerspanung. In der Vergangenheit haben wir dafür verschiedene Systeme genutzt, die aber zueinander keinen Bezug hatten. In den regulierten Industriebranchen unserer Auftraggeber sind wir verpflichtet, die Traceability sicherzustellen.

Wie haben Sie die Rückverfolgbarkeit erreicht?

Hauck: Siemens im Bereich Digital Industries hat eine durchgängige Lösung angeboten. Mittlerweile haben wir eine große Digitalisierungsstrategie mit Siemens in der Umsetzung. Das ist außergewöhnlich für ein mittelständisches Unternehmen, aber wir sehen, dass Siemens sich in diese Richtung gut entwickelt hat und uns ein passendes Product Lifecycle Management angeboten hat. Dadurch haben wir die Wertschöpfungskette der additiven Fertigung für ein Bauteil oder ein komplexes System mit Hilfe von Siemens PLM geschlossen. Das gilt nicht nur für das Pulverbettverfahren, sondern auch der Roboter mit dem Pulver-Düse-Verfahren läuft über Assistenzsysteme, Antriebe und Steuerung von Siemens. Dadurch lässt sich in puncto Genauigkeit eine höhere Ebene erreichen.

Die fehlende Präzision ist dem Robotereinsatz oft vorgeworfen worden. Welche Eigenschaften bringt der Toolcraft-Roboter mit?

Hauck: Der Roboter selbst hat eine Positionswiederholgenauigkeit von plus minus 50 Mikrometern. Die Präzision einer Fräsmaschine können wir nicht erreichen, sondern wir benötigen etwa die Genauigkeitsklasse von plus minus 200 Mikrometern. Für die finale Genauigkeit wird eine Werkzeugmaschine genutzt. Aber für die Vorbereitung, das Schruppen von großen Komponenten, muss es nicht die teure Variante sein.

Ich möchte den Blick auf die anstehende Fachmesse Formnext lenken. Was bringt Toolcraft mit zur Messe?

Hauck: Zwar waren wir die ersten Jahre nicht als Aussteller bei der Formnext zugegen, weil wir eher eine „Einkaufsmesse“ darin für uns gesehen haben. Für uns ist es die internationale Leitmesse an Innovationen. Dort können wir uns einen Überblick verschaffen, was es im Bereich der Anlagentechnologie, Software oder Peripherie an Neuigkeiten gibt. Dadurch, dass wir in den vergangenen Jahren von unseren langjährigen Partnern für die Beratung der industriellen AM-Fertigung sowie für Inhalte der allgemeinen Aus- und Weiterbildung beauftragt wurden, sind wir mittlerweile auch als Aussteller zugegen. Bei der Aus- und Weiterbildung sind wir sehr aktiv und wollen dies auch zeigen. Mittlerweile haben einige unserer Kunden durch uns den Einstieg in die additive Fertigung geschafft und wollen dazu weiter beraten werden. Wir wissen, wie man Zertifizierungen erreicht oder wie ein Gewerbeaufsichtsamt agiert, um eine Produktionsstätte abzunehmen bzw. freizugeben. Diesen Erfahrungsschatz, den wir über zwölf Jahre erarbeitet haben, wollen wir nicht für uns behalten, sondern im Sinne der sinnvollen Industrialisierung der additiven Fertigung weitergeben. Dadurch kommen auch unsere Tätigkeiten in diversen Verbänden und Gremien zustanden. Für die Ausbildung haben wir eine Zusatzqualifikation mit der IHK Nürnberg für die additive Fertigung entwickelt, ebenso zwei Zertifikatslehrgänge für eine „Industriefachkraft für Additive Fertigung“ im Bereich „Operator“ und „Konstrukteur“ mit der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen sowie der IHK Nürnberg.

Wie sind Ihre Erwartungen an die Formnext?

Hauck: Zum einen trifft sich die additive Familie wieder. Es wird viele bekannte Gesicht geben. Ich will aber auch die neuen Anbieter in den verschiedenen Wertschöpfungsstufen kennenlernen. Es wird eine spannende und kurzweilige Woche werden. Wir freuen uns alle extrem darauf.

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Christoph Hauck

Vorstand Technologie und Vetrieb
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