Tach Community!
Hier mal ein paar meiner Erfahrungen mit dem Thema Messen.
Ich bin Quereinsteiger in den Bereich Qualitätsmanagement, und jetzt werden es bald anderthalb Jahre, die ich dabei bin. Vorher hab ich gefräst, und irgendwann hat man mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, unsere Mannschaft im Messraum zu verstärken.
Nachdem ich zugesagt hatte, hatte ich glücklicherweise auch die Möglichkeit, Programmierkurse für die Mess-Software unserer 3D-Koordinatenmessmaschinen zu besuchen, aber man kommt eigentlich ziemlich schnell dahinter, dass man da eben gerade mal die Grundlagen (wenn auch unentbehrliche) beigebracht bekommt. Viel mehr lernt man dann in der Praxis, und richtig ab geht's eigentlich nur, wenn man sich auch ernsthaft für das interessiert, was man tut.
Jedenfalls wird man sehr ins Schleudern kommen, wenn man keinen Praxisbezug zum Thema Messen hat. Man sollte also wissen, wie man überhaupt manuell misst, bevor man darüber nachdenkt, mit solch komplexen Hilfsmitteln wie KMGs zu arbeiten.
Es spielt auch nicht so sehr die Rolle, was für eine Software man benutzt zum Messen, das Prinzip ändert sich nur wenig, und ich kenne inzwischen immerhin drei verschiedene Softwarelösungen. Egal, als wie einfach die Software vom Hersteller auch angepriesen wird, für manche Projekte muss man viel Arbeitszeit aufwenden, aber wenn ein Messprogramm erst einmal steht, kann das die Mühen wert sein, und das nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht. Auch für die Fertigung bringt ein KMG manchmal den entscheidenden Vorteil, wenn man denn weiß, was man tut - und da fängt das eigentliche Problem an.
Man wird immer mal wieder durch Kollegen genervt, warum die Erstellung eines Messprogramms nicht in fünf Minuten erledigt ist, das sei doch alles so einfach. Aber genau das ist es eben nicht. Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit mit einem KMG ist es, sich durch manuelle Messungen abzusichern, denn wenn man nicht weiß, was man tut, dann misst man nur Unsinn.
Denn wenn man sich erst einmal mit der Materie beschäftigt, setzt man sich zum ersten Mal auf einem ganz anderen Niveau mit dem Thema Messen auseinander. Wenn man beispielsweise eine Bohrung misst, steht man vor der Frage, ob man die Bohrung als Kreis oder als Zylinder messen soll. Für die Auswertung der Bohrungsposition und -form stößt man auf Begriffe wie Gaußkreis, Pferchkreis, Hüllkreis oder Minimumzonenelement (auch Tschebyscheffauswertung genannt). Sachen wie maximale oder minmale Materialbedingung fliegen einem um den Kopf.
Ständige Diskussionen mit den Kollegen aus der Fertigung weil man gezwungen war, die Fähigkeiten im Lesen von technischen Zeichnungen zu verbessern und dann feststellt, dass so manch einer die Zeichnungen nur zur Hälfte versteht. Da steht man schnell mal als KlugSch***er da oder als jemand, der gerne mal beim Messen die Teile "vergoldet".
Es ist da wirklich nicht leicht, die Grenze zu finden zwischen produktivem Messen und der Erfüllung aller Wünsche seiner Kollegen und Vorgesetzten, und grundsätzlich wollen alle etwas Anderes. Man muss lernen, sich auf einem neuen Level durchzusetzen, seinen Vorgesetzten und notfalls sogar dem Chef widersprechen, um die ganze Sache noch in einem vernünftigen Rahmen zu halten.
So, und noch was zum Thema Zeiss: Wir haben u.a. auch drei Zeiss-Maschinen, und die Dinger sind wirklich sehr genau. Aber nur dann, wenn man sie richtig bedient und programmiert. Die Maschinen sind so objektiv, dass sie einen gnadenlos übers Ohr hauen, wenn man etwas falsch macht, und es ist sehr leicht, etwas falsch zu machen. Damit meine ich nicht einmal so sehr die Programmierung an sich, sondern eher die Messstrategien, die man anwendet. Der Mythos
Zeiss hat seinen Ursprung wahrscheinlich nicht zuletzt auch darin, dass die Firma Zeiss viele Dinge im Bereich Koordinatenmesstechnik entwickelt hat, aber letztendlich gibt es nur wenige Gründe, warum Konkurrenzprodukte nicht absolut gleichwertig sein sollten.
Aber auch darüber hinaus sind diese Maschinen eigentlich nur dann genau, wenn sie richtig gewartet werden, denn eigentlich sind KMGs rein mechanisch gesehen ungeheuer ungenaue Konstruktionen, erst eine richtige Kalibrierung macht aus ihnen hochgenaue Messinstrumente. Diese Kalibrierungen und Wartungen sollten einmal im Jahr stattfinden, und das zieht natürlich Kosten mit sich. Meist werden Wartungsverträge für mehrere Jahre angeboten, und die sollte man auch tunlichst nutzen!
So, es ist noch früh am Morgen, und ich werde mich noch ein wenig rumdrehen, aber wenn mir noch was einfällt, werde ich noch ein paar Sätze schreiben. Das ist nämlich eigentlich ein unerschöpfliches Thema. Trotz allem ist es, seitdem ich mit KMGs zu tun habe, eine große Leidenschaft geworden.
Wenn irgendwelche Fragen auftauchen, immer her damit!
Bis dann,
--DanIeL ***